10. August 2015

Klöckner und die Digitalisierung des Stahlhandels

Eine Aktie auf die ich bei meiner Suche nach Investmentmöglichkeiten immer wieder stoße, ist jene von Klöckner & Co. Der Grund dafür ist der, dass die Aktie seit langem unter ihrem (auch um Goodwill bereinigten) Buchwert notiert und ich glaube, dass das (neue) Geschäftsmodell prinzipiell Potenzial hat. Wenn auch vielleicht erst in etwas fernerer Zukunft.


Klöckner selbst beschreibt das Geschäft wie folgt:
Klöckner & Co ist der größte produzentenunabhängige lagerhaltende Stahl- und Metalldistributor und eines der führenden  Stahl-Service-Center-Unternehmen im Gesamtmarkt Europa und Amerika. Wir fungieren als Bindeglied zwischen Stahlerzeugung und Verbrauch. Durch unsere Unabhängigkeit von Stahlherstellern profitieren unsere Kunden von einem zentral koordinierten Einkauf und unseren vielfältigen nationalen und internationalen Beschaffungsmöglichkeiten bei weltweit rund  60 Hauptlieferanten. Unsere entscheidenden Wettbewerbsfaktoren sind Größeneffekte im globalen Einkauf, unsere umfangreiche Produktpalette, der Kundenzugang über ein weit verzweigtes Logistik- und Distributionsnetzwerk sowie verschiedenste Anarbeitungsservices und die hohe Verfügbarkeit unserer Produkte. Unser globales Netzwerk erstreckt sich über 15 Länder und ermöglicht unseren Kunden den lokalen Zugang zu rund 220 Lager- und Anarbeitungsstandorten. Durch die hohe Verfügbarkeit unserer Produkte ermöglichen wir unseren Kunden, auf eigene Lagerhaltung weitgehend zu verzichten. Unser Kundenportfolio umfasst rund 150.000 zumeist kleinere bis mittlere Stahl- und Metallverbraucher, vorwiegend aus der Bauindustrie sowie dem Maschinen- und Anlagenbau. Darüber hinaus liefern wir Vorprodukte für die Automobilindustrie, den Schiffsbau und die Gebrauchsgüterindustrie. Wir bieten unseren Kunden eine optimierte Gesamtlösung von der Beschaffung über die Logistik bis zur Anarbeitung einschließlich individueller Belieferung mit 24-Stunden-Service und setzen dabei auf eine zunehmende Digitalisierung dieser Prozesse.
2014 setzte Klöckner in etwa EUR 6,5 Mrd. um, die Verteilung des Umsatzes ist aus folgender Grafik ablesbar:


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Nachdem die Konjunktur einfach nicht so richtig ins Laufen kommen will, tut sich die Stahlindustrie mit ihren chronischen Überkapazitäten insgesamt sehr schwer damit, wieder in die Gänge zu kommen. Profitabel arbeiten eigentlich nur spezialisierte Nischenplayer, wie z.B. die hier bereits vorgestellte Voestalpine.  Klöckner gehört definitiv nicht zu diesen Nischenplayern.

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Operating Profit enthält keine One-off-Kosten wie Sonderabschreibungen, Restrukturierungen etc.; der Gewinn pro Aktie sehr wohl.

Der Verlauf des Aktienkurses bildet diesen Geschäftsgang recht deutlich ab. Der letzte Kurs steht bei ca. EUR 8,50.

Ein mögliches Basisszenario ist einfach: erholt sich die Wirtschaft/Konjunktur (vor allem in Europa und Amerika), erhöhen sich auch die Gewinne und der Aktienkurs von Klöckner. Somit sollte früher oder später zumindest der (um Goodwill bereinigte) Buchwert je Aktie von ca. EUR 12 erreicht werden (immerhin ca. 40% Potenzial).

Ich gebe zu, diese Investmentidee ist nicht besonders einladend:
  • Es ist kaum absehbar, wie lange es braucht, bis sich die Wirtschaft erholt.
  • Es ist auch kaum absehbar, wie weit der Buchwert je Aktie noch sinken kann (Verluste – Q2 war furchtbar: der Buchwert wäre gesunken, wenn es keine Währungsgewinne im ‚other comprehensive income‘ gegeben hätte).
  • Klöckner scheint kein Unternehmen zu sein, in das man beruhigt investieren kann. Über den Konjunkturzyklus betrachtet sind die Ergebnisse nicht befriedigend, wenn auch in guten Zeiten dafür umso besser.

Ich persönlich möchte in so ein Unternehmen nicht investieren, weil mir das einfach zu unsicher ist. Allerdings könnte sich auf längere Sicht eine Chance auftun, wenn Klöckner die angekündigte Strategie 2020 konsequent umsetzt. 

Digitalisierung

Ich bin mir nicht sicher ob es nicht schlicht und einfach nur die Verzweiflung ob der stetig enttäuschenden Geschäftszahlen war, die das Management mit folgender Idee aufwarten ließ: Einrichten einer Online-Plattform und Digitalisierung des Geschäftsmodells. Da wir in 2015 leben und das Internet eigentlich schon überall ist, kommt euch jetzt wahrscheinlich in etwa so etwas in den Sinn (bei mir war es so):

Oh, es ist doch viel zu spät, jetzt noch eine digitale Plattform einführen zu wollen. Die Konkurrenz wird heftig reagieren, und es wird nicht möglich sein, auf eine entsprechende Reichweite zu kommen…

Seltsamerweise liegt aber genau darin die Chance, wenn das Management die Situation auch nur halbwegs richtig einschätzt: die Stahlindustrie, bzw. der Stahlhandel, funktioniert zu einem großen Teil noch immer analog: Telefon, Fax und (die Modernen) Email. Klöckner könnte sogar eine Art First-Mover-Vorteil haben. Die Einführung einer digitalen Plattform ist sehr vielversprechend, weil diese die gesamte Lieferkette stark vereinfachen könnte. Ein Nebeneffekt ist, dass eine Plattform auch noch von einem Netzwerkeffekt profitieren könnte, wie es auch das Geschäftsmodell von Klöckner selbst tut, zumindest bis zu einem gewissen Grad.

[Ein kurzer Einwurf: Wholesaling]
(zu deutsch vielleicht Großhandel, aber ich bin mir nicht sicher ob es das wirklich trifft)

Stahl-/Metalldistribution scheint zwar eine Ausnahme zu sein, aber prinzipiell kann Wholesaling ein sehr gutes Geschäftsmodell sein, das hohe ROIC zulässt, wenn es denn auch gut umgesetzt wird. Der große Nutzen eines Wholesale-Modelles ist, dass es eine Win-Win-Win Situation erzeugt, für

die Lieferanten:
  • Zugang zu einer großen Anzahl an Kunden
  • Dadurch höhere Absatzmengen, wenn auch zu niedrigeren Preisen (Verhandlungsmacht; die Lieferanten bei Laune zu halten ist mindestens gleich wichtig, wie die Kunden bei Laune zu halten)
  • Lieferanten können Distributions- und andere Tätigkeiten auslagern

die Konsumenten:
  • Bekommen Zugang zu einer großen Anzahl an Produkten von vielen verschiedenen Herstellern über einen zentralen Anbieter
  • Bekommen niedrige Preise, da sie von der Verhandlungsmacht des Wholesalers profitieren
  • Zusätzliche Services; bei Klöckner beispielsweise die Anarbeitung von Materialen, für die z.B. 3D-Laser benötigt werden (solche Maschinen sind für viele Kleinkunden zu teuer in der Anschaffung) aber auch eine Fülle an anderen Dienstleistungen.

den Wholesaler:
  • Hohe Anzahl an Lieferanten und Kunden
  • Einbehaltung eines kleinen Prozentsatzes des Wertschöpfungsprozesses (dünne Margen) als Gewinn, der hoffentlich hoch genug ist um die Fixkosten abzudecken - das war bei Klöckner in letzter Zeit eben oft nicht der Fall.
  • Das Geschäftsmodell bindet relativ wenig Kapital im Verhältnis zum Umsatz. Im günstigsten Fall auch im Verhältnis zum Gewinn.

Wenn wir uns diese Eigenschaften des Geschäftsmodelles vor Augen halten wird klar, dass dieses einige Elemente eines zweiseitigen Marktes aufweist, obwohl keine direkten Beziehungen zwischen Lieferanten und Kunden bestehen. Speziell ergeben sich 
  • positive cross-side Effekte
  • keine/kaum positiven same-side Effekte  
  • negative same-side Effekte, vor allem auf der Lieferantenseite

(Was cross- und same-side Effekte sind wird in der englischen Version des oben verlinkten Wikipedia-Eintrages zum zweiseitigen Markt erklärt. Entschuldigt bitte die vielen Anglizismen, aber ich habe einfach keine Ahnung wie sich diese Begriffe ins Deutsche übersetzen; die Wikipedia-Einträge in deutscher Sprache sind kaum zu gebrauchen oder erst gar nicht vorhanden, weswegen ich den einen oder anderen Link zur englischen Ausgabe von Wikipedia setzen musste.)

Trotz dieser Beschränkungen ist in meinen Augen ein zweiseitiger Markt eine hervorragende Voraussetzung für eine (digitale) Plattform.

[Einwurf Ende]

Das Ziel des Managements ist es also das Geschäftsmodell zu verändern, und zwar von diesem 

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zu diesem
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Es gibt natürlich keine Garantie, dass das funktionieren wird.

Das Hauptproblem jeder Plattform ist es, genügend Lieferanten und Kunden zu akquirieren. Hier könnte Klöckner die Tatsache helfen, dass es der weltweit größte unabhängige Stahlhändler ist, mit ca. 150.000 Kunden und 60 Hauptlieferanten. Wenn diese die Plattform nutzen, ist schon viel gewonnen. Die Tatsache, dass Klöckner Lieferanten-unabhängig ist, sollte insofern helfen, als die Anzahl an verschiedenen Produkten um einiges höher sein sollte, als bei einem Lieferanten-abhängigen Konkurrenzprodukt. Ein möglicher First-Mover-Vorteil verbunden mit einem möglichen Netzwerkeffekt könnte Klöckner einen großen Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrenten verschaffen. Ihr merkt schon, wie viele könnte und sollte ich hier verwende. Es wird viel davon abhängen, wie gut Klöckner diese Plattform implementiert und ob diese für die Teilnehmer auch wirklich eine Vereinfachung im Verhältnis zur momentanen Art und Weise des (Stahl-) Handelns darstellen wird.

Da ich gerade die Konkurrenz angesprochen habe, gehe ich auch gleich einige Konkurrenten durch. In Europa sind die größten
  • Arcelor Mittal
  • ThyssenKrupp
  • Salzgitter
  • Tata (beim Klöckner-Projekt mit dabei).

Diese sind eindeutig nicht Lieferanten-unabhängig und waren in den letzten Jahren wohl eher mit Kostensenkungsprogrammen beschäftigt, als damit neue Geschäftsideen zu generieren. Das erklärt vielleicht auch warum keiner einen Schritt in Richtung Digitalisierung gemacht hat. In den USA haben wir
  • Reliance
  • Ryerson
  • ThyssenKrupp (wieder).

Reliance und Ryerson sind unabhängig und betreiben auch ein ähnliches Geschäftsmodell wie Klöckner. Reliance ist offenbar der einzige von den drei unabhängigen, der halbwegs gut durch das aktuell schwierige Geschäftsklima steuert. Allerdings konnte ich noch nicht herausfinden, an was das genau liegt, wo die einen möglichen Wettbewerbsvorteil haben – die Digitalisierung scheint es nicht zu sein. Ryerson hingegen geht es ähnlich schlecht wie Klöckner, allerdings ist deren Bilanz in einem deutlich schlechteren Zustand als jene von Klöckner, wenn wir auf die Finanzverschuldung schauen. Dafür hat Ryerson inzwischen auch eine eCommerce-Plattform gestartet (2014), ähnlich wie Klöckner. 

Die Märkte, in denen Klöckner tätig ist, sind extrem fragmentiert. Die größten Player (Arcelor, Thyssen, bzw. Reliance und Ryerson) kommen kaum auf über 10% Marktanteil, bzw. sind deutlich darunter. Klöckner hält 2014 Marktanteile von ca. 7% (Europa) und ca. 3% (USA), womit man in beiden Märkten zu den Top 3 gehört. Die große Chance einer effizienten und für die Teilnehmer vorteilhaften und unabhängigen Plattform besteht darin, in diesen Märkten eine Konsolidierung einzuleiten durch die man selbst deutlich Marktanteile hinzugewinnen kann. Auch wenn diese Märkte selbst in Zukunft wohl nicht allzu stark wachsen werden. Ein zusätzlicher Vorteil könnte darin bestehen, dass man über so eine Plattform auch verstärkt Nebenprodukte anbieten könnte, die prinzipiell höhere Margen erlauben (zumindest ist das eine Idee des Managements).

Die Konkurrenz in den USA scheint auf jeden Fall stärker als in Europa. Die Chancen, dass sich Klöckners Plattform durchsetzt, sind somit in Europa um einiges höher, auch weil man Tata bereits als wichtigen Partner gewonnen hat. Das muss allerdings nicht zwangsläufig heißen, dass man in den USA versagt.

Klöckner möchte bis 2019 um die 50% des Umsatzes online generieren.

Zusammenfassung

Um ehrlich zu sein, ich habe das Gefühl, dass diese Digitalisierung die einzige vernünftige Chance für Klöckners Zukunft ist. Wenn sie hier versagen, würden sie wahrscheinlich ohnedies keine große Zukunft haben.

Das Basisszenario ist einfach: die Aktien von Klöckner notieren derzeit deutlich unter ihrem (um Goodwill bereinigten) Buchwert je Aktie. Sollte sich das Geschäft irgendwann halbwegs stabilisieren/erholen, sollte dieser Buchwert erreicht werden, was ein Potenzial von 40% bedeutet. Das Risiko besteht darin, dass der Buchwert sehr schnell fallen kann, wenn sich das Geschäft nicht stabilisiert. 

Andererseits erhält man aufgrund des niedrigen Kurses die Möglichkeit, dass die Digitalisierungsstrategie aufgeht, mehr oder weniger umsonst. Man kann also
  1. Bereits jetzt kaufen, und hoffen, dass sich das Geschäft bald stabilisiert
  2. Warten, bis es erste Anzeichen gibt, dass die Digitalisierung aufgeht. In diesem Fall sollte sich Klöckner zu einem viel besseren Unternehmen wandeln als es das heute ist - in Bezug auf Nutzen für Lieferanten und Kunden, aber auch Gewinne und ROIC.

Momentan bevorzuge ich noch Option 2, ich werde meine Augen allerdings offen halten.

Anmerkung
  • Swoctem GmbH/Friedhelm Loh hat in den letzten Monaten eine größere Position aufgebaut (siehe hier). Das könnte insofern interessant sein, als die Gruppe selbst im Bereich Stahldistribution tätig ist – Übernahmefantasie?
  • Auf der anderen Seite hat das noch keinen Kurssprung ausgelöst. Im Gegenteil, die Aktie fällt schon seit ca. einem Jahr relativ kontinuierlich.

Ich weiß nicht genau, was ich mit diesen Infos anfangen soll, möchte aber darauf hinweisen.

Quellen


2 Kommentare:

  1. Der Inbegriff eines schelchten Businessmodels.

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  2. Das kann man kaum bestreiten. Interessant wäre, ob du eine Chance in der Digitalisierung siehst, oder ob das auch nichts ändern kann?

    Danke

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