7. Juni 2013

Voestalpine – oder wie man mit Stahl noch Geld verdienen kann

Nachdem ich eine mögliche Spekulation auf die Commerzbank-Aktie (von einer Investition traue ich mich in diesem Fall nicht zu sprechen) fallengelassen habe, konzentriere ich mich heute auf ein Unternehmen, bei dem ich mich trotz hoher Konjunkturabhängigkeit wesentlich wohler fühle: die Voestalpine (ISIN: AT0000937503), die sich schon länger in meinem wikifolio  befindet.

Die Voestalpine, mit Hauptsitz in Linz, entwickelt hochwertige Stahlerzeugnisse, wobei sich der Umsatz wie folgt verteilt (das Geschäftsjahr endet mit Ende März):

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Stahlindustrie - ganz kurz

Die Stahlindustrie gilt als sehr konjunkturabhängig. Insbesondere die europäische Stahlindustrie kämpft momentan mit Überkapazitäten, die bei einem Gesamtmarkt von 215 Mio. Tonnen im Jahr auf 40 bis 80 Mio. Tonnen geschätzt werden. Wenn das stimmt, muss man in den nächsten Jahren von einer Strukturbereinigung ausgehen, die politisch nur schwer umsetzbar ist, da eine Werksschließung logischerweise eine ganze Menge an Verlusten von Arbeitsplätzen nach sich zieht. Schlagzeilen dazu gab es in den letzten Monaten genug.
Umso interessanter ist ein Vergleich der wichtigsten Player, zu denen ich auch die Voestalpine zähle. Hier anhand der Eigenkapitalrenditen einiger Stahlunternehmen (kein Anspruch auf Vollständigkeit):
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Anmerkung: da die Voestalpine das Geschäftsjahr mit 31. März abschließt, gelten die Jahreszahlen nur für die Voestalpine: für die anderen Unternehmen jeweils um ein Jahr versetzt – die -131% bei Thyssenkrupp z.B. gehören ins Jahr 2012.

Die Konjunkturabhängigkeit ist schnell zu erkennen: vor ‚Lehman‘ haben alle gut verdient, seit Ausbruch der Krise verdient in diesem Vergleich aber nur noch ein Unternehmen anständige Renditen: die Voestalpine. Wie kommt das?

Downstream

Vereinfacht gesagt hat sich die Voestalpine vom klassischen Stahlproduzenten wegentwickelt, indem sie sich mit einem im Sektor-Vergleich hohen Forschungs- und Entwicklungsaufwand zu einem Stahltechnologieunternehmen gewandelt hat, das in durchaus lukrativen Nischenmärkten tätig ist. Während das klassische Stahlgeschäft 2004 noch über die Hälfte des Umsatzes ausmachte, war das im abgelaufenen Geschäftsjahr nur noch ein Drittel.

Segmentübersicht:

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Anzumerken ist, dass das Segment Metal Forming relativ neu ist, insofern als die beiden ehemaligen Segmente Profilform und Automotive zu Metal Forming zusammengelegt wurden. In der folgenden Grafik über die operativen Margen habe ich den gewichteten Durchschnitt der operativen Margen der beiden ehemaligen Segmente berechnet, um die theoretische historische Performance von Metal Forming zu berechnen. Der Bereich Special Steel besteht übrigens im Wesentlichen aus der ehemals eigenständigen Böhler-Uddeholm Gruppe, die 2007/08 zu einem vielleicht etwas hohen Preis übernommen wurde. Ein oder zwei Jahre später wäre das wohl deutlich billiger gewesen, da hätte diese Möglichkeit allerdings wahrscheinlich nicht mehr bestanden, da auch andere Investoren Interesse zeigten und der damalige Hauptaktionär Rudolf Fries offenbar verkaufen wollte (was wohl auch ein Hinweis ist, dass die Übernahme nicht gerade ein Schnäppchen gewesen sein kann).

Mehrjahresübersicht

Operative Margen der Segmente:
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Kennzahlen je Aktie:
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Anmerkung: Gewinn & Dividende: rechte Skala; tangible BV: ohne Goodwill

Der Rückgang im Buchwert je Aktie ohne Berücksichtigung des Goodwill im Jahr 2008 stammt natürlich aus der Böhler-Uddeholm Akquisition, die über Buchwert erfolgte. Den Goodwill zu bewerten ist schwierig, aber wir sehen an den Margen, dass Special Steel langsam in die Gänge kommt. Ein größerer Abschreiber wäre für mich momentan also eine Überraschung.

In Anbetracht der Konjunkturabhängigkeit hat das Unternehmen über die Jahre eine sehr gute Performance hingelegt und dabei in keinem Jahr Verlust gemacht – im Gegensatz zu fast allen anderen Stahlunternehmen (auf die Schnelle fallen mir nur außereuropäische Unternehmen wie z.B. Posco ein – vielleicht weiß ja wer ein zweites Unternehmen in Europa).

Zukunft

Das durchschnittliche Umsatzwachstum inkl. Übernahmen seit 2001 lag bei ca. 11% p.a. – etwas das man in Zukunft wohl kaum erwarten kann, außer die Konjunktur springt stark an – wovon man aber wohl nicht ausgehen sollte. Das Unternehmen selbst möchte den Umsatz bis 2020 auf 20 Mrd. EUR steigern, was ausgehend vom 2013er Umsatz einer durchschnittlichen Wachstumsrate von ca. 8% entspricht. Das halte ich für sehr ambitioniert. Erreichen will das Management das durch Wachstum vor allem in Nord- und Südamerika und Asien, weniger in Europa – geografische Diversifizierung ist das Ziel. Der Fokus soll weiterhin auf dem Downstream-Bereich liegen, was meines Erachtens positiv ist, da die Margen einfach höher sind – Übertragung der/Aufbau von starken Marktpositionen in neue Märkte vorausgesetzt.

Wenn dieses Ziel von 8% Wachstum bis 2020 erreicht wird, und die Margen haltbar sind, meine ich dass die Aktie momentan stark unterbewertet ist. Darüber hinaus glaube ich, dass so starkes Wachstum gar nicht nötig ist, um auf ein Kursziel zu kommen, das höher ist als der momentane Aktienkurs. Die Börse ist offensichtlich um einiges skeptischer als ich. Warum?

Skepsis gegenüber Stahlbranche, ausgelöst unter anderem durch eingangs erwähnte Überkapazitäten? Der hohe Downstream Anteil sollte schützen, eben kein klassisches Stahlunternehmen mehr.

Konjunkturlage, die einfach nicht besser werden will? Im Prinzip die gleiche Antwort. Eigentlich kann es bei Anziehen der Konjunktur nur besser werden – und auch wenn das noch lange dauern kann: die Gewinne sind auch jetzt in einem akzeptablen Bereich.

Aufkommen von Konkurrenten, die an der Marge nagen? Im Stahlbereich sehe ich die Gefahr nicht wirklich, da alle Konkurrenten aufgrund der schwächeren Margen sparen müssen – auch im F&E Bereich. Eher ein Problem werden könnten in einigen Bereichen Substitute für Stahl wie z.B. Aluminium oder Carbon.

Geplante Investitionen in ambitioniertes Wachstumsziel werden schiefgehen? Das ist natürlich möglich. Zur Not muss man abbrechen. Aber aus Angst dass es schief gehen könnte nicht zu investieren… dann kommt man nie weiter. Außerdem, soweit ich die Cash-Flow-Rechnung richtig interpretiere, können sie Investitionen im Normalfall locker aus eigener Kraft finanzieren, ohne den Kapitalmarkt (Kapitalerhöhungen) anzapfen zu müssen.

Notierung an der Wiener Börse, die nicht unbedingt im Fokus großer/internationaler Investoren liegt? Das ist für mich kein Grund nicht zu investieren. Wenn die Aktie mehr wert ist, wird die Börse das irgendwann erkennen, auch wenn es etwas länger dauern mag.

Mix aus den angeführten Gründen? Bias, weil ich die Aktie schon lange halte/Österreicher bin? Tja… möglich…

Jedenfalls bin ich in der Aktie investiert, und aus heutiger Sicht wäre ich auch bereit, die Position auszubauen, sollte der Kurs nachgeben. Langfristig ist dies die meiner Meinung nach beste Chance im europäischen Stahlmarkt.

Fakten großteils von der Investor Relations Seite der Voestalpine.