23. September 2013

Zwei Kapitalerhöhungen in Wien – Uniqa und AT&S

In Wien sind momentan zwei Kapitalerhöhungen (KE) am Laufen. Mit beiden Unternehmen habe ich mich bereits befasst, auch wenn ich noch nie eine der Aktien besessen habe. Die KEs sind aber willkommene Gelegenheiten, sich die Unternehmen einmal wieder etwas genauer anzusehen.

Uniqa

Neue Aktien werden zwischen EUR 7,50 und 8,50 angeboten, womit der Buchwert pro Aktie nach der KE bei irgendwo zwischen EUR 8,50 und 8,90 liegen wird – deutlich unter dem aktuellen Buchwert je Aktie von ca. EUR 9,10 (Halbjahresbericht 2013) - und unter dem aktuellen Aktienkurs von EUR 9,20. Die bisherigen Großaktionäre ziehen bei der KE nicht mit und lassen ihre Anteile verwässern, was den Streubesitz erhöhen wird. Damit könnte die Uniqa zu einem ernsthaften Aspiranten auf einen Platz im Wiener Leitindex ATX werden.

Wie ich in meinem Artikel über die Vienna Insurance Group versucht habe zu erklären, denke ich dass die Idee der konstanten Underwriting Profits bei Versicherungen sehr wichtig ist. Die Uniqa kann der VIG in dieser Hinsicht nicht das Wasser reichen. Sehr schön zu verfolgen ist das auch anhand der Kennzahlen, die die beiden Versicherer in den letzten Jahren produziert haben.

In den Grafiken ist zu beachten, dass der Buchwert zum Halbjahr 2013 bei der Uniqa die anstehende KE noch nicht berücksichtigt (Verwässerung) und die VIG 2009 eine Sonderdividende von 90 Cent für das Geschäftsjahr 2008 ausgeschüttet hat, die ebenfalls nicht berücksichtigt ist. Weiterhin ist zu beachten, dass die Uniqa in ihren guten Jahren ähnlich starke Eigenkapitalrenditen erzielt wie die VIG, was jedoch auf die deutlich niedrigeren Eigenkapitalquoten der Uniqa zurückzuführen ist – siehe ROAs.


Uniqa vs. VIG (anklicken zum Vergrößern)


Die deutlich besseren Zahlen der VIG sind in meinen Augen eine Folge der deutlich höheren Underwriting Profits. Diese sind wiederum auf eine niedrigere Kostenstruktur bzw. eine vorsichtigere Preisgestaltung der Polizzen zurückzuführen. Das Nichtvorhandensein von Underwriting Profits bei der Uniqa macht diese abhängig von den Einnahmen im Veranlagungsbereich. In einem Niedrigzinsumfeld wie heute tut sie sich, im Gegensatz zur VIG, also schwer damit zufriedenstellende Ergebnisse zu erzielen.

Da beide Unternehmen nur leicht über Buchwert notieren (die Uniqa nach der KE etwas deutlicher), ist für mich die VIG nach wie vor die bessere Wahl, und ein Einstieg bei der Uniqa drängt sich nicht auf.


AT&S

AT&S ist ein Hersteller von Leiterplatten, dessen Stärke vor allem bei den technisch etwas höherwertigen HDI-Leiterplatten liegt (zweitgrößter Produzent weltweit). In diesem Markt ist es sehr schwer, sich Wettbewerbsvorteile zu erarbeiten. Auch wenn das Management von AT&S prinzipiell gut ist, konnte es starke Schwankungen in den Ergebnissen in den letzten Jahren nicht verhindern. Die KE, die den Buchwert je Aktie voraussichtlich auf etwa EUR 10,50 verwässern wird, soll der Finanzierung des Einstiegs in den stark wachsenden Markt für IC-Substrate dienen.

Prinzipiell ist das ein interessanter Schritt, da sich in diesem Geschäftsbereich weniger Konkurrenz tummelt und die Margen etwas höher sind. Außerdem soll das neue Werk das technologisch höchstwertigste seiner Art sein, und billiger produzieren als die Werke der bestehenden Konkurrenz. Der Einstieg ist dem Unternehmen zuzutrauen (das Werk soll ab 2016 produzieren, der Bau läuft bereits).

Die folgenden Grafiken stammen aus einer Unternehmenspräsentation im Juli 2013 (anklicken zum Vergrößern):




AT&S ist ein gut geführtes Unternehmen, wenn auch in einem sehr schwierigen Markt. Die Bilanz ist mit über 40% Eigenkapitalquote solide, und nicht durch Goodwillposten verzerrt. Dauerhafte Wettbewerbsvorteile sind allerdings nicht auszumachen, dafür ist der Markt einfach zu kompetitiv. Aber wenn ich einen fairen Wert angeben müsste, würde ich dafür den Buchwert je Aktie hernehmen, und der wird, wie schon oben erwähnt, nach der KE bei ca. EUR 10,50 liegen. Vom heutigen Kurs weg ein Potential von immerhin ca. 50%.

Ein Einstieg in den nächsten Wochen ist für mich denkbar.



16. September 2013

Fannie & Freddie – Teil 2

Das ging relativ schnell. Der zweite Teil der Case Study ist da. Es handelt sich dabei um einen Beitrag zur Klage, die bevorsteht. Ab Anfang November geht es in die heiße Phase. Ich bin kein Jurist und das Dokument ist sehr zäh zu lesen. Behandelt wird die Thematik, ob und wann die Regierung aussteigen soll, und dass sie einfach alle Gewinne als Dividende abkassiert, womit laut Kläger bald Schluss sein soll. Wie bereits erläutert.

Ich möchte heute etwas näher darauf eingehen, von welchen Gewinnmöglichkeiten wir sprechen, sollte sich die US-Regierung tatsächlich dafür entscheiden, Fannie und Freddie wieder in private Hände zu geben. Dass die Börse die Wahrscheinlichkeit dafür als recht gering einschätzt, haben wir ja letztens festgestellt. Trotzdem, wie wäre die Bewertung, wenn…


Das folgende betrifft wieder hauptsächlich Fannie Mae, wobei der Fall Freddie nicht unähnlich gelagert ist. Rufen wir uns nochmal kurz die Gewinnverteilung in Gedächtnis:


EK und Gewinnverteilung (anklicken zum Vergrößern)








Seit 2012 ist Fannie wieder profitabel. Die Ertragskraft wird von Berkowitz auf ca. USD 40 Mrd. geschätzt, für Fannie und Freddie zusammen, wohlgemerkt (siehe Interview, ca. nach 55 sec). Ausgehend von der Tatsache dass Fannie etwas größer ist als Freddie, kann man davon ausgehen, dass der größere Teil auf Fannie entfällt. Zusammen, mit den Daten der 6 Quartale seit 2012 Q1 bis 2013 Q2 macht eine Schätzung auf ca. USD 20 Mrd. pro Jahr Sinn (Q1 2013 wurde durch einen positiven Sondereffekt im Steuerbereich begünstigt, der fast USD 50 Mrd. ausgemacht hat).

Wie schon erwähnt, besteht das Dilemma der Aktionäre (auch der Halter der Preferreds) darin, dass alle Gewinne an die Senior Preferreds gehen, die vom Staat gehalten werden. Was passiert, wenn der Staat aussteigt? Soweit ich verstanden habe, hätte der Staat das Recht über Warrants die Senior Preferreds in normale Aktien zu wandeln. Die Zahl der ausstehenden Aktien würde sich dadurch vervielfachen, aber die normalen Serien an Preferreds wären unberührt, abgesehen davon dass sie wieder Dividenden ausbezahlen könnten.

Preferred Serien (anklicken zum Vergrößern, aus 10-K 2012 Fannie Mae)















Bei Außerachtlassung der Senior Preferreds, wird schnell klar, dass die möglichen Renditen auf praktisch alle ausstehenden Serien riesig wären, würde es zur Re-Privatisierung kommen. Z.B. Serie S mit USD 25 Par-Wert handelt zu deutlich unter USD 6. Diese Preferreds sind auch mehr oder weniger das worauf Berkowitz wettet. An und für sich sind die Möglichkeiten und Risiken hier schon hoch genug. Um aber Risiko und Ertragschancen noch etwas zu erhöhen (bzw. sich das zumindest mal anzusehen), der Vollständigkeit halber auch noch ein Blick auf die Stammaktien.

Die Verwässerung für die Altaktionäre wäre riesig, würde die Regierung ihre Wandeloption ziehen. Die Anzahl an ausstehenden Aktien wäre nach der Wandlung bei ca. 5.762 Mio. Zum Vergleich: 2007, also vor der Katastrophe waren es ca. 973 Mio. Nehmen wir wieder die USD 20 Mrd. Ertragskraft von vorher. Die Dividenden auf die bestehenden Preferreds mit einem Par-Wert von 19,13 USD Mrd. würden etwa USD 1,25 Mrd. ausmachen (im Schnitt 6,5% Rendite auf die Preferreds). Ziehen wir die Dividende von den USD 20 Mrd. ab, und teilen durch die Aktien, die dann ausstehend wären:

Über 3 Dollar Gewinn pro Aktie.

Kurs: 1,16 USD.

Es ist gut möglich, dass es bei einer wirklichen Rückkehr an die Börse noch eine Kapitalerhöhung oder ähnliches geben würde, womit sich das wieder relativierte.

Dieser Fall ist in meinen Augen eine wirklich außergewöhnliche Spekulationsmöglichkeit. Das seltsamste ist, dass man im Gegensatz zu den meisten anderen Investitionen, auf die Politik bzw. auf ein Gericht vertrauen muss, anstatt in die wirtschaftliche Stärke des Unternehmens. Aussteigen wird man mit sehr hohem Gewinn oder mit Null. Die Wahrscheinlichkeiten sind kaum einzuschätzen. Es gibt eine ‚riskante‘ (Preferreds) und eine ‚noch riskantere‘ (Aktien) Möglichkeit zu investieren.  

Für mich käme bei einem Einstieg die Überzeugung großteils daher, dass Berkowitz drinhängt. Er hat die Research-Kapazitäten, er kennt die Branche, er kennt die Unternehmen besser, als ich das je werde, er hat selbst eine Riesenposition aufgebaut und er übernimmt sogar die Klagen, zusammen mit anderen Hedgefonds. So eine Situation gibt es nicht oft.

Keine Position in den erwähnten Papieren. Ich überlege mir das noch – mit einer auf jeden Fall nur relativ kleinen Position. Die Möglichkeit eines Totalausfalls schreckt mich doch zu stark ab, um einen großen Teil des Portfolios zu investieren.

13. September 2013

Fannie & Freddie – ein Märchen mit Open End

Heute eine wirklich spezielle Investmentmöglichkeit, die man problemlos auch als Spekulation bezeichnen kann. Es handelt sich um eine Alles-oder-Nichts-Wette. Das hier geschriebene soll meinen aktuellen Erkenntnisstand zusammenfassen.

Aufmerksam geworden bin ich auf Fannie und Freddie, weil Bruce Berkowitz große Positionen in beiden aufgebaut hat. Berkowitz hat immer ein sehr konzentriertes Portfolio, die Positionen darin sind dafür gut begründet. Außerdem gefällt mir sein Motto: Ignore the Crowd. Er hat wieder eine entsprechende Case Study veröffentlicht und die Namensgebung lässt darauf schließen, dass da noch mehr kommt. Auf CNBC ist auch ein Interview erschienen, in dem er auf diese Investments eingeht. Ein wenig Information hält auch sein letzter Bericht vom Mai 2013 (Seite 6 im FAIRX-PDF) bereit.

Da ich mich mit diesen Unternehmen noch nie beschäftigt habe, wusste ich vorher auch nicht sehr viel über sie. Wenn es Ihnen ähnlich geht, empfehle ich entweder die Einträge auf Wikipedia (die englischen sind wesentlich informationsreicher als die deutschen) oder die Beschreibung der Geschäftstätigkeit in den 10-K Annual Reports der Unternehmen (Investor Relations Fannie) durchzulesen und erst danach den obigen Links zu folgen. Einen kleinen Beitrag können hoffentlich auch die folgenden Zeilen leisten.

Hintergrund

Die Federal National Mortgage Association (bekannt als Fannie Mae) und die Federal Home Loan Mortgage Corporation (Freddie Mac) sind staatlich geförderte US-amerikanische Hypothekenbanken (GSE – government-sponsored enterprise) deren Aufgabe nicht darin besteht Hypothekenkredite zu vergeben, sondern darin, ebensolche Kredite von anderen Banken aufzukaufen um den Sekundärmarkt für Hypothekenkredite liquide zu halten.

Finanziert werden diese Tätigkeiten dadurch dass die beiden Anleihen begeben, die aufgrund der Staatsnähe gute Bonitätsbewertungen bekommen. Lange hat dieses Geschäftsmodell sehr gut funktioniert, wobei der staatliche Beistand als beträchtlicher Wettbewerbsvorteil bezeichnet werden kann. Freddie Mac wurde im Jahr 1968 gegründet, um ein Monopol der im selben Jahr privatisierten Fannie Mae zu verhindern, worauf gewinnträchtige Jahre des Duopols folgten.

Und so lebten sie glücklich und zufrieden bis ans Ender ihrer Tage.

Oder zumindest bis eine Nadel namens Lehman sie in den Dornröschenschlaf versetzte.

Conservatorship

Ihrer Hauptaufgabe sind sie ab 2008 wieder verstärkt nachgekommen, nachdem sie in den Vorjahren aufgrund des Immobilienbooms Marktanteile verloren haben (siehe obige Case Study, part one S. 4 und S. 5). Ohne Staatshilfe wäre das nicht möglich gewesen. 2008 wurden sowohl Fannie Mae als auch Freddie Mac unter die Kontrolle der Federal Housing Finance Agency (FHFA) gestellt in der sie sich nach wie vor befinden.


Zusammengefasste Bilanz Fannie Mae (anklicken zum Vergrößern)







In weiterer Folge beziehe ich mich in erster Linie auf Fannie Mae, da ich mich mit Freddie Mac weniger auseinandergesetzt habe. Ich traue mich aber zu sagen, dass die Situation bei Freddie Mac eine ähnliche ist.

Die Aktien, sowohl die Stämme als auch die Vorzüge, befinden sich zum Großteil in Staatsbesitz. Die Restbestände (immer noch relativ viele) wurden 2010 von der New Yorker Börse genommen und werden nur noch OTC (Wikipedia) gehandelt. Die FHFA hat die Verantwortung übernommen und das Unternehmen neu aufgestellt. Das und der Prinz in Form der Erholung des US-Immobilienmarktes bescheren Fannie nun Gewinne und lassen sie langsam wieder erwachen.

So weit, so gut. Doch wie ist die Situation für die Aktionäre? Dafür müssen wir Einblick in die Gewinnverteilung und die Eigenkapitalstruktur nehmen.

EK und Gewinnverteilung (anklicken zum Vergrößern)








Seit Ausbruch der Krise hat Fannie USD 117 Mrd. vom Staat bekommen (Senior Preferred Stock). Sämtliche Dividenden die seither ausgezahlt wurden gingen an die Senior Preferreds. In Summe bisher immerhin USD 95 Mrd. - Fannie hat die Staatshilfe also bald zurückbezahlt. Theoretisch.

Seit heuer ist Fannie dazu verpflichtet praktisch alle Gewinne als Dividende an die Senior Preferreds auszuzahlen. Bisher wurden diese lediglich mit 10% des Nominalwerts verzinst. Das bedeutet nichts anderes als dass für die Junior Preferreds und die Stammaktie nichts übrigbleiben kann. Die Senior Preferreds haben kein Laufzeitende. Es kann auch kein Kapital aufgebaut werden, um die Senior Preferreds irgendwann auszukaufen – die Zahlungen haben tatsächlich Dividendencharakter, es sind keine Tilgungen. Außerdem ist eine Tilgung laut Vertrag auch nicht erlaubt. Alle Rechte liegen komplett beim Staat. Also sind die normalen Vorzüge und die Stammaktie praktisch wertlos. Keiner weiß so recht wie es weitergeht.

Präsident Obama will die Institute über die nächsten Jahre abwickeln und den Markt mit Hilfe der noch zu gründenden non-governement und not-for-profit National Mortgage Market Utility (NMMU) komplett neu aufbauen. Und er ist nicht der einzige Politiker der das will. Ein Auszug aus dem PATH Act 2013, der das Thema behandelt:

…, the reforms contained with the Protecting American Taxpayers and Homeowners (PATH) Act of 2013 are focused on:
  • Ending the Costly Fannie and Freddie Bailout;
  • Right-Sizing the FHA and Clearly Defining its Mission;
  • Implementing Market Reforms to Increase Mortgage Competition, Enhance
  • Transparency, and Maximize Consumer Choice; and
  • Breaking Down Barriers for Private Investment Capital.

Die Wette

Jetzt kommen Berkowitz und einige andere Hedgefonds daher und kaufen sich ein. Kompletter Wahnsinn?
  • Berkowitz‘ Argumentation geht in die Richtung, dass der Markt ohne Fannie und Freddie nicht funktioniert, weil sie zu wichtig/groß/relevant für den Markt sind. Außerdem war das was sie seit 2008 gemacht haben ja genau das wofür sie da sind – den Hypothekenmarkt liquide halten, auch wenn sie dabei Verluste machen und kein anderer das machen will. Wie er sich ausdrückt: ‚Mission impossible: accomplished!‘ Jemand mit funktionierendem Verstand kann die nicht liquidieren. Siehe verlinktes CNN-Interview oben. Die finale Entscheidung wird die Politik treffen.
  • Eine andere Herangehensweise ist die von Perry Capital: klagen. Der Grund: ganz einfach der, dass wenn der Staat mit hohem Gewinn ausgestiegen ist, was voraussichtlich nächstes, spätestens übernächstes Jahr der Fall sein wird, es keinen Grund mehr gibt, das Unternehmen weiter in Staatsbesitz zu halten und überproportional hohe Dividenden einzuheimsen. Diese Vorgehensweise verstößt immerhin gegen bestehende Verträge, und nichts anderes sind Vorzugsaktien. Sie fühlen sich betrogen, sprich: Enteignung im kapitalistischen Amerika. Die finale Entscheidung wird ein Gericht treffen.
Die im Interview eingeblendete Serie S der Fannie Junior Preferreds (bzw. deren Kursverlauf) hat einen Par-Wert von USD 25. Kurs heute USD 5,65. Sollten die beiden tatsächlich wieder privatisiert, und nicht abgewickelt werden, ist der mögliche Gewinn groß. Wenn wir den Kurs ins Verhältnis zum Par-Wert setzen, können wir die Wahrscheinlichkeit dafür mit ca. 23% annehmen – 77% Wahrscheinlichkeit dass die Aktien wirklich wertlos sind.

Ich hoffe, der zweite Teil der Berkowitz Case Study lässt nicht allzu lange auf sich warten.


12. September 2013

Bijou Brigitte – Value Trap?

Auf der Suche nach guten Investments stößt man immer wieder auf Unternehmen, die auf den ersten Blick extrem gute Ergebnisse produzieren und auch noch billig zu haben sind. Die entscheidende Frage ist dann natürlich ob sie wirklich so billig sind wie sie aussehen, oder ob die Börse zukünftig schlechte Entwicklungen vorweg einpreist – für letzteren Fall hat sich die Bezeichnung ‚Value Trap‘ eingebürgert. Hin und wieder tappt man in so ein Falle, aber das muss ja nicht nur negative Seiten haben: wenn man daraus lernt, hat man sein Geld auch nicht schlecht investiert.

In den letzten Tagen bin ich mal wieder auf so ein gut aussehendes Unternehmen gestoßen: Bijou Brigitte. Trotz überzeugender Bilanz und auf den ersten Blick guter Zahlen, werde ich die Aktie nicht kaufen, weil ich die Möglichkeit einer Value Trap nicht ausschließen kann. Es empfiehlt sich prinzipiell immer die Finger von einer Aktie lassen, wenn man sich nicht wirklich sicher ist, hauptsächlich des guten Schlafes wegen. Andererseits ist das aber auch eine gute Gelegenheit einen neuen Artikel zu posten, vor allem weil die Sommerpause eh schon viel zu lange gedauert hat.

Die Zahlen


Ein erster Blick auf die sehr guten Zahlen durch die mir Bijou Brigitte im Screener aufgefallen ist (alle Zahlen im 5-Jahres-Durchschnitt):








Begründet werden die rückläufigen Ergebnisse vom Unternehmen selbst als auch von den (sehr wenigen) Analysten mit dem schwierigen Marktumfeld und der schlechten Konjunktur in den Kernmärkten von Bijou Brigitte.

Das Geschäft

Das Unternehmen betreibt (angemietete) Filialen in denen in erster Linie Schmuck verkauft wird. Ein Geschäft in dem es meines Erachtens sehr schwierig ist, sich gegenüber der Konkurrenz einen Wettbewerbsvorteil zu erarbeiten. Das Anmieten einer Filiale und der Start von Handel mit Schmuck sind nicht allzu kapitalintensiv, was auch durch die Expansion von Bijou Brigitte selbst belegt wird. Die Anzahl der Filialen hat sich seit dem Beginn des Jahrtausends fast vervierfacht, dennoch konnte in dieser Zeit ein sehr schöner Free Cash Flow (bzw. von mir geschätzte Owner Earnings) in praktisch derselben Höhe wie der Gewinn erzielt und eine üppige Dividende ausgeschüttet werden.

Das Management scheint also zu verstehen was es macht, aber gibt es wirklich einen dauerhaften Wettbewerbsvorteil? Ein solcher Wettbewerbsvorteil könnte im Warenwirtschaftssystem liegen, wie in einem Artikel auf sfg-value.de angemerkt wird. Aber das überzeugt mich ehrlich gesagt nicht restlos. Ich glaube kaum, dass so ein System nicht auch von anderen Unternehmen aufgebaut werden kann. Ansonsten kann ich keine entscheidenden Wettbewerbsvorteile erkennen. Kurzübersicht:

  • Customer captivity: nein. Weder Netzwerkeffekt, noch überdurchschnittlich starkes Markenimage.
  • Proprietary technology: nein.
  • Economics of scale: nein. Das Angebot scheint nicht viel billiger zu sein als bei Konkurrenten.
  • Government/patent protection: nein
  • Superior access to information: evtl. wie in obig verlinktem Artikel beschrieben, aber eher nein.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch Stefan Mohr von simple-value-investing.de.

Ein genauerer Blick auf die Zahlen

Wie schon oben beschrieben haben wir es hier mit einem Unternehmen zu tun, das prinzipiell tolle, aber rückläufige Renditen erzielt, was der schlechten Konjunktur geschuldet sein soll. Nach dieser Ansicht könnte man annehmen, dass das Geschäft wieder abhebt, sobald die Konjunktur wieder anzieht.

EPS, DPS & Umsatz (letzteres in Mio. EUR, anklicken zum Vergrößern)










In dieser Grafik sehen wir, dass der Umsatz nur leicht rückläufig ist (seit 2010), während der Gewinn etwas stärker leidet – es sieht so aus als ob die Chance auf einen Umschwung bei einer Konjunkturerholung lebt. Die Dividende dürfte aber, wenn diese Erholung nicht bald eintritt, Gefahr laufen gekürzt zu werden, was die saftige Dividendenrendite von 7,8% auf die 2012er Dividende relativiert. Gehen wir einen Schritt weiter:

Vorsteuermargen nach Ländern (anklicken zum Vergrößern)
















Hier sehen wir, dass die Margen auch in Deutschland leiden. Dies ist sowohl der größte Markt des Unternehmens, als auch jener, der mit der Konjunktur am wenigsten Probleme hat (abgesehen von einigen für das Unternehmen kleineren Märkten in ‚Übrige Länder‘). Diese Entwicklung wäre vielleicht mit Konjunkturproblemen wirklich zu erklären, aber:

Kennzahlen pro Filiale (EUR, anklicken zum Vergrößern)









Diese Grafik scheint mir die entscheidende zu sein. Während die Umsatzentwicklung in der ersten Grafik nicht so tragisch aussieht (immerhin Wachstum bis 2009), offenbart sich hier dass das Umsatzwachstum mit neu eröffneten Filialen gekauft wurde, wobei die durchschnittliche Rentabilität pro Filiale gesunken ist. Vor allem setzt dieser Trend nicht erst mit der Wirtschaftskrise ‚ab Lehman‘ ein, sondern schon 2005/06, als auch die Aktie anfing ihre in den Vorjahren erzielten Kursavancen wieder abzugeben.

Wenn ich mir das durch den Kopf gehen lasse, dann komme ich zu dem Schluss, dass die starke Verbesserung der Rentabilität und das starke Wachstum in den Jahren bis 2005 auf eine Gelegenheit zurückzuführen sind, die Bijou Brigitte als erstes erkannt und ausgenutzt hat. Zugegeben, die schlechte Konjunktur mag ihren Teil zur schlechten Performance in den Folgejahren beitragen, aber ich sehe das Hauptproblem im Aufkommen von Konkurrenten, gegen die das Unternehmen seine Rentabilität aufgrund des fehlenden Burggrabens nicht zu schützen vermag – der Preiskampf zerstört den Bruttogewinn pro Filiale. Die übermäßig hohen Gewinne in der Zeit von 2003 bis 2010 sind damit nicht wieder zu erreichen, es sei denn, ausreichend viele Konkurrenten scheiden aus dem Markt aus. Angesichts der starken Bilanz könnte Bijou Brigitte einen solchen Kampf lange überstehen, aber neue Konkurrenten können auch relativ einfach wieder ins Geschäft einsteigen. Ein Blick auf die folgende Grafik zeigt, warum ein Einstieg prinzipiell immer interessant ist, auch auf 2012er Niveau:

ROE & ROA (anklicken zum Vergrößern)











Fazit

Bijou Brigitte verfügt über eine außerordentlich starke Bilanz mit hohen Cash-Reserven, und hat in der Vergangenheit hohe Renditen erzielt. Entsprechend liegt der Kurs (Eröffnung heute, 12.9.2013, bei EUR 71,58) deutlich über Buchwert (laut letztem Halbjahresbericht bei nicht ganz EUR 28), was für ein solches Unternehmen nachvollziehbar ist. Sollte sich jedoch der negative Trend der letzten Jahre fortsetzen, weil das Unternehmen über keinen dauerhaften Burggraben verfügt, erachte ich den aktuellen Kurs als immer noch viel zu hoch, um eine ausreichende Sicherheitsmarge zu gewährleisten.

Da ich mit einem Unternehmen in ähnlicher Situation schon einmal Verluste eingefahren habe und die Möglichkeit einer Falle nicht auszuschließen vermag, lasse ich die Finger von dieser Aktie. Ich hoffe (ehrlich) für alle in der Aktie Investierten, dass ich mich irre.