13. September 2013

Fannie & Freddie – ein Märchen mit Open End

Heute eine wirklich spezielle Investmentmöglichkeit, die man problemlos auch als Spekulation bezeichnen kann. Es handelt sich um eine Alles-oder-Nichts-Wette. Das hier geschriebene soll meinen aktuellen Erkenntnisstand zusammenfassen.

Aufmerksam geworden bin ich auf Fannie und Freddie, weil Bruce Berkowitz große Positionen in beiden aufgebaut hat. Berkowitz hat immer ein sehr konzentriertes Portfolio, die Positionen darin sind dafür gut begründet. Außerdem gefällt mir sein Motto: Ignore the Crowd. Er hat wieder eine entsprechende Case Study veröffentlicht und die Namensgebung lässt darauf schließen, dass da noch mehr kommt. Auf CNBC ist auch ein Interview erschienen, in dem er auf diese Investments eingeht. Ein wenig Information hält auch sein letzter Bericht vom Mai 2013 (Seite 6 im FAIRX-PDF) bereit.

Da ich mich mit diesen Unternehmen noch nie beschäftigt habe, wusste ich vorher auch nicht sehr viel über sie. Wenn es Ihnen ähnlich geht, empfehle ich entweder die Einträge auf Wikipedia (die englischen sind wesentlich informationsreicher als die deutschen) oder die Beschreibung der Geschäftstätigkeit in den 10-K Annual Reports der Unternehmen (Investor Relations Fannie) durchzulesen und erst danach den obigen Links zu folgen. Einen kleinen Beitrag können hoffentlich auch die folgenden Zeilen leisten.

Hintergrund

Die Federal National Mortgage Association (bekannt als Fannie Mae) und die Federal Home Loan Mortgage Corporation (Freddie Mac) sind staatlich geförderte US-amerikanische Hypothekenbanken (GSE – government-sponsored enterprise) deren Aufgabe nicht darin besteht Hypothekenkredite zu vergeben, sondern darin, ebensolche Kredite von anderen Banken aufzukaufen um den Sekundärmarkt für Hypothekenkredite liquide zu halten.

Finanziert werden diese Tätigkeiten dadurch dass die beiden Anleihen begeben, die aufgrund der Staatsnähe gute Bonitätsbewertungen bekommen. Lange hat dieses Geschäftsmodell sehr gut funktioniert, wobei der staatliche Beistand als beträchtlicher Wettbewerbsvorteil bezeichnet werden kann. Freddie Mac wurde im Jahr 1968 gegründet, um ein Monopol der im selben Jahr privatisierten Fannie Mae zu verhindern, worauf gewinnträchtige Jahre des Duopols folgten.

Und so lebten sie glücklich und zufrieden bis ans Ender ihrer Tage.

Oder zumindest bis eine Nadel namens Lehman sie in den Dornröschenschlaf versetzte.

Conservatorship

Ihrer Hauptaufgabe sind sie ab 2008 wieder verstärkt nachgekommen, nachdem sie in den Vorjahren aufgrund des Immobilienbooms Marktanteile verloren haben (siehe obige Case Study, part one S. 4 und S. 5). Ohne Staatshilfe wäre das nicht möglich gewesen. 2008 wurden sowohl Fannie Mae als auch Freddie Mac unter die Kontrolle der Federal Housing Finance Agency (FHFA) gestellt in der sie sich nach wie vor befinden.


Zusammengefasste Bilanz Fannie Mae (anklicken zum Vergrößern)







In weiterer Folge beziehe ich mich in erster Linie auf Fannie Mae, da ich mich mit Freddie Mac weniger auseinandergesetzt habe. Ich traue mich aber zu sagen, dass die Situation bei Freddie Mac eine ähnliche ist.

Die Aktien, sowohl die Stämme als auch die Vorzüge, befinden sich zum Großteil in Staatsbesitz. Die Restbestände (immer noch relativ viele) wurden 2010 von der New Yorker Börse genommen und werden nur noch OTC (Wikipedia) gehandelt. Die FHFA hat die Verantwortung übernommen und das Unternehmen neu aufgestellt. Das und der Prinz in Form der Erholung des US-Immobilienmarktes bescheren Fannie nun Gewinne und lassen sie langsam wieder erwachen.

So weit, so gut. Doch wie ist die Situation für die Aktionäre? Dafür müssen wir Einblick in die Gewinnverteilung und die Eigenkapitalstruktur nehmen.

EK und Gewinnverteilung (anklicken zum Vergrößern)








Seit Ausbruch der Krise hat Fannie USD 117 Mrd. vom Staat bekommen (Senior Preferred Stock). Sämtliche Dividenden die seither ausgezahlt wurden gingen an die Senior Preferreds. In Summe bisher immerhin USD 95 Mrd. - Fannie hat die Staatshilfe also bald zurückbezahlt. Theoretisch.

Seit heuer ist Fannie dazu verpflichtet praktisch alle Gewinne als Dividende an die Senior Preferreds auszuzahlen. Bisher wurden diese lediglich mit 10% des Nominalwerts verzinst. Das bedeutet nichts anderes als dass für die Junior Preferreds und die Stammaktie nichts übrigbleiben kann. Die Senior Preferreds haben kein Laufzeitende. Es kann auch kein Kapital aufgebaut werden, um die Senior Preferreds irgendwann auszukaufen – die Zahlungen haben tatsächlich Dividendencharakter, es sind keine Tilgungen. Außerdem ist eine Tilgung laut Vertrag auch nicht erlaubt. Alle Rechte liegen komplett beim Staat. Also sind die normalen Vorzüge und die Stammaktie praktisch wertlos. Keiner weiß so recht wie es weitergeht.

Präsident Obama will die Institute über die nächsten Jahre abwickeln und den Markt mit Hilfe der noch zu gründenden non-governement und not-for-profit National Mortgage Market Utility (NMMU) komplett neu aufbauen. Und er ist nicht der einzige Politiker der das will. Ein Auszug aus dem PATH Act 2013, der das Thema behandelt:

…, the reforms contained with the Protecting American Taxpayers and Homeowners (PATH) Act of 2013 are focused on:
  • Ending the Costly Fannie and Freddie Bailout;
  • Right-Sizing the FHA and Clearly Defining its Mission;
  • Implementing Market Reforms to Increase Mortgage Competition, Enhance
  • Transparency, and Maximize Consumer Choice; and
  • Breaking Down Barriers for Private Investment Capital.

Die Wette

Jetzt kommen Berkowitz und einige andere Hedgefonds daher und kaufen sich ein. Kompletter Wahnsinn?
  • Berkowitz‘ Argumentation geht in die Richtung, dass der Markt ohne Fannie und Freddie nicht funktioniert, weil sie zu wichtig/groß/relevant für den Markt sind. Außerdem war das was sie seit 2008 gemacht haben ja genau das wofür sie da sind – den Hypothekenmarkt liquide halten, auch wenn sie dabei Verluste machen und kein anderer das machen will. Wie er sich ausdrückt: ‚Mission impossible: accomplished!‘ Jemand mit funktionierendem Verstand kann die nicht liquidieren. Siehe verlinktes CNN-Interview oben. Die finale Entscheidung wird die Politik treffen.
  • Eine andere Herangehensweise ist die von Perry Capital: klagen. Der Grund: ganz einfach der, dass wenn der Staat mit hohem Gewinn ausgestiegen ist, was voraussichtlich nächstes, spätestens übernächstes Jahr der Fall sein wird, es keinen Grund mehr gibt, das Unternehmen weiter in Staatsbesitz zu halten und überproportional hohe Dividenden einzuheimsen. Diese Vorgehensweise verstößt immerhin gegen bestehende Verträge, und nichts anderes sind Vorzugsaktien. Sie fühlen sich betrogen, sprich: Enteignung im kapitalistischen Amerika. Die finale Entscheidung wird ein Gericht treffen.
Die im Interview eingeblendete Serie S der Fannie Junior Preferreds (bzw. deren Kursverlauf) hat einen Par-Wert von USD 25. Kurs heute USD 5,65. Sollten die beiden tatsächlich wieder privatisiert, und nicht abgewickelt werden, ist der mögliche Gewinn groß. Wenn wir den Kurs ins Verhältnis zum Par-Wert setzen, können wir die Wahrscheinlichkeit dafür mit ca. 23% annehmen – 77% Wahrscheinlichkeit dass die Aktien wirklich wertlos sind.

Ich hoffe, der zweite Teil der Berkowitz Case Study lässt nicht allzu lange auf sich warten.


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