Dies ist der zweite Teil einer kleinen Amazon-Serie. Ein
Unternehmen, das mich zwar fasziniert, aber von dessen Aktien ich bisher immer
die Finger gelassen haben. Und wohl auch weiter lassen werde.
Im ersten
Teil dieser kleinen Amazon-Serie haben wir uns angesehen, was überhaupt für
ein Investment in Amazon sprechen könnte. Grundsätzlich halte ich das
Geschäftsmodell von Amazon für vielversprechend. Im Laufe dieses Posts werde
ich einen (meiner Meinung nach unrealistischen) ‚Theoretischen Gewinn‘
betrachten. Dabei geht es weniger darum, dass dieser korrekt berechnet ist,
sondern mehr darum herauszufinden, was aktuelle Amazon-Investoren meines
Erachtens in etwa annehmen müssen, um ein Investment rechtfertigen zu können.
(Nebenbei
bemerkt: dieser theoretische Gewinn würde, falls realistisch, tatsächlich zu einem sehr hohen ROIC
führen, da das Amazon-Geschäftsmodell nicht sehr kapitalintensiv ist.)
Skeptisch wie ich bin, möchte ich
nicht in ein Unternehmen investieren, das wächst ohne dabei Gewinne zu
produzieren. Folgendes Zitat
lässt mich bei Amazon allerdings hellhörig werden:
When forced to choose between optimizing the appearance of our GAAP accounting and maximizing the present value of future cash flows, we’ll take the cash flows.
Jeff Bezos, Letter to Shareholders 1997
Gewinne
müssen nicht unbedingt buchhalterische Gewinne sein - mir persönlich sind
ökonomische welche sowieso lieber. Ein kleiner Reminder dazu: Owner
Earnings.
Aber von
Anfang an, die
Gewinn- & Verlustrechnung
Quelle: Annual Reports, Anklicken zum Vergrößern
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Beim ‚Hinuntergehen‘
vom Bruttogewinn zum operativen Gewinn (von der gelben zur blauen Linie) fallen
Fixkosten an, Amazon unterteilt diese in vier Kategorien: Fulfillment,
Marketing, Technology/Content und Administrative/General. Bei einem
Unternehmen, das so kompromisslos in Wachstum investiert wie Amazon, verwundert
es nicht, dass die operative Marge sehr gering ist. In Erwartung eines höheren
Umsatzes in der nächsten Berichtsperiode hat man ständig eine ‚relativ zu hohe‘
Fixkostenbasis in der aktuellen Periode.
Was allerdings
auffällt ist die steigende Bruttomarge seit 2011, bei gleichzeitigem
Zurückgehen der operativen Marge. Angesichts der sich verändernden
Zusammensetzung des Umsatzes kann man davon ausgehen, dass der Bereich ‚Electronics
& other merchandise‘ höhere Bruttomargen abwirft, ebenso wie der stark
wachsende AWS (Amazon Web Services) Bereich. Allerdings scheint Amazon hier nicht
diese Wettbewerbsvorteile zu genießen wie im Media Bereich (mit den Büchern).
Zumindest wäre das eine Erklärung für die sinkende operative Marge.
Nachdem
Amazon in diesem Geschäftsjahr erstmals die gesonderten Ergebnisse für AWS
ausweist (mit einer operativen Marge von ca. 17%, allerdings vor
aktienbasierten Vergütungen), können wir davon ausgehen, dass sich die
Situation im (wesentlich größeren) Restgeschäft noch etwas schlechter darstellt
als obige Grafik vermuten lässt.
Jedem Aktionär
von Amazon ist das klar (oder sollte es zumindest sein): Gewinne interessieren nicht.
Doch wie finanziert Amazon dieses Wachstum mit einer eigentlich recht moderaten
Finanzverschuldung, wenn keine (buchhalterischen) Gewinne anfallen?
Cash Flow
Die
Zahlen in diesem Teil stammen aus den Geschäftsberichten. Die getroffenen
Annahmen sind allerdings nicht unbedingt realistisch. Wie schon erwähnt, geht
es mehr darum, den aktuellen Amazon-Kurs irgendwie zu rechtfertigen -
dahinterzukommen, wie aktuelle Amazon-Investoren denken müssen, um den Kurs
rechtfertigen zu können – dafür sind meines Erachtens sehr optimistische
Annahmen notwendig.
Quelle: Annual Reports, Anklicken zum Vergrößern
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Wie wir
sehen, kann Amazon die nötigen Investitionen locker aus dem operativen Cash
Flow finanzieren. In den meisten Jahren bleibt sogar etwas übrig, das man auf
die Seite legen kann – Amazon verfügte Ende 2014 über finanzielle Mittel von
ca. USD 17 Mrd., bei Finanzschulden in Höhe von ca. USD 12,5 Mrd.
Wenn wir
uns im Sinne oben bereits erwähnter Owner Earnings vor Augen halten, dass
sicher nicht der gesamte Capex notwendig ist, um das aktuelle Geschäft zu
erhalten, sondern ein ganz wesentlicher Teil davon Wachstumsinvestitionen
repräsentieren, können wir sogar einen halbwegs brauchbaren Cash-Gewinn
errechnen. Nehmen wir an, drei Viertel des Capex repräsentieren Wachstumsinvestitionen
(nochmals: das ist eine stark vereinfachende Rechnung, die nicht unbedingt
realistisch ist; ich kann beim besten Willen nicht sagen, ob diese drei Viertel realistisch
sind, aber diese lassen den theoretischen Gewinn sehr hoch aussehen). Der theoretische
Gewinn (TG) wäre dann:
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Das
sieht zumindest viel besser aus, als die GuV-Marge. Noch optimistischere
Annahmen möchte ich nicht mehr treffen, weil es irgendwann halt doch sehr
unrealistisch wird, selbst für Amazon-Optimisten. Nehmen wir an, wir können
diese USD 5.619 Mio. tatsächlich als Gewinn betrachten: das KGV wäre dann noch
etwas über 45. Sehr teuer, aber wie ein Kommentator im ersten Teil zur Serie
schon anmerkte, nicht mehr so total aus der Welt, wie die KGVs, die mit dem
klassischen buchhalterischen Gewinn berechnet werden. Je nachdem, was für
Wachstumsraten man für die Zukunft annimmt, könnte man theoretisch sogar in
einen rationalen Bereich kommen (je nachdem was man halt als rational betrachtet).
Meines
Erachtens müssen heutige Amazon-Investoren solche oder zumindest so ähnliche
Annahmen treffen, um ihr Investment zu rechtfertigen. Der TG lässt sich noch
etwas erhöhen: man könnte z.B. annehmen, Amazon braucht überhaupt keinen
Erhaltungs-Capex, aber wie geschrieben: irgendwann wird es halt sehr
unrealistisch.
Ist es
das was mir entgeht? Ist die Amazon-Aktie gar nicht so teuer? Nur ein ‚bisschen‘
teuer?
Im
nächsten, und wahrscheinlich letzten Teil dieser kleinen Serie sehen wir uns
die operativen Cash Flows nochmals genauer an. Warum sind diese im Vergleich zu
den Gewinnen so hoch, und können wir die entsprechenden Anpassungen überhaupt
als Gewinn betrachten?
Der ausgewiesene Capex ist kleiner als der ökonomische, da viele Investitionen von Amazon über Leasing finanziert werden. Berücksichtigt man den Effekt, dann war der Free Cash Flow in den letzten Jahren Negativ. Das spiegelt sich auch in der Aufnahme von Finanzschulden wieder die nicht notwendig gewesen wäre, wenn es wirklich einen positiven Free Cash Flow gegeben hätte.
AntwortenLöschenEs ist dir vermutlich schon aufgefallen, dass in den Operativen Cash Flow sinkenden (bereits negatives) Working Capital eingeht.
Danke für den Kommentar.
LöschenWorking Capital ist mir aufgefallen, ja. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt.
Dem Leasing habe ich, ehrlich gesagt, noch gar nicht so viel Beachtung geschenkt. Nach einem kurzen Blick in den letzten Geschäftsbericht muss ich dir aber zustimmen. Das macht die Sache noch etwas interessanter.
Gruß
Tom