4. November 2015

Das Amazon Puzzle – Teil 2: Finanzen

Dies ist der zweite Teil einer kleinen Amazon-Serie. Ein Unternehmen, das mich zwar fasziniert, aber von dessen Aktien ich bisher immer die Finger gelassen haben. Und wohl auch weiter lassen werde.

Im ersten Teil dieser kleinen Amazon-Serie haben wir uns angesehen, was überhaupt für ein Investment in Amazon sprechen könnte. Grundsätzlich halte ich das Geschäftsmodell von Amazon für vielversprechend. Im Laufe dieses Posts werde ich einen (meiner Meinung nach unrealistischen) ‚Theoretischen Gewinn‘ betrachten. Dabei geht es weniger darum, dass dieser korrekt berechnet ist, sondern mehr darum herauszufinden, was aktuelle Amazon-Investoren meines Erachtens in etwa annehmen müssen, um ein Investment rechtfertigen zu können. 

(Nebenbei bemerkt: dieser theoretische Gewinn würde, falls realistisch, tatsächlich zu einem sehr hohen ROIC führen, da das Amazon-Geschäftsmodell nicht sehr kapitalintensiv ist.)

Skeptisch wie ich bin, möchte ich nicht in ein Unternehmen investieren, das wächst ohne dabei Gewinne zu produzieren. Folgendes Zitat lässt mich bei Amazon allerdings hellhörig werden: 
When forced to choose between optimizing the appearance of our GAAP accounting and maximizing the present value of future cash flows, we’ll take the cash flows.
 Jeff Bezos, Letter to Shareholders 1997

Gewinne müssen nicht unbedingt buchhalterische Gewinne sein - mir persönlich sind ökonomische welche sowieso lieber. Ein kleiner Reminder dazu: Owner Earnings.

Aber von Anfang an, die


Gewinn- & Verlustrechnung

Quelle: Annual Reports, Anklicken zum Vergrößern
Beim ‚Hinuntergehen‘ vom Bruttogewinn zum operativen Gewinn (von der gelben zur blauen Linie) fallen Fixkosten an, Amazon unterteilt diese in vier Kategorien: Fulfillment, Marketing, Technology/Content und Administrative/General. Bei einem Unternehmen, das so kompromisslos in Wachstum investiert wie Amazon, verwundert es nicht, dass die operative Marge sehr gering ist. In Erwartung eines höheren Umsatzes in der nächsten Berichtsperiode hat man ständig eine ‚relativ zu hohe‘ Fixkostenbasis in der aktuellen Periode.

Was allerdings auffällt ist die steigende Bruttomarge seit 2011, bei gleichzeitigem Zurückgehen der operativen Marge. Angesichts der sich verändernden Zusammensetzung des Umsatzes kann man davon ausgehen, dass der Bereich ‚Electronics & other merchandise‘ höhere Bruttomargen abwirft, ebenso wie der stark wachsende AWS (Amazon Web Services) Bereich. Allerdings scheint Amazon hier nicht diese Wettbewerbsvorteile zu genießen wie im Media Bereich (mit den Büchern). Zumindest wäre das eine Erklärung für die sinkende operative Marge.

Nachdem Amazon in diesem Geschäftsjahr erstmals die gesonderten Ergebnisse für AWS ausweist (mit einer operativen Marge von ca. 17%, allerdings vor aktienbasierten Vergütungen), können wir davon ausgehen, dass sich die Situation im (wesentlich größeren) Restgeschäft noch etwas schlechter darstellt als obige Grafik vermuten lässt.

Jedem Aktionär von Amazon ist das klar (oder sollte es zumindest sein): Gewinne interessieren nicht. Doch wie finanziert Amazon dieses Wachstum mit einer eigentlich recht moderaten Finanzverschuldung, wenn keine (buchhalterischen) Gewinne anfallen?

Cash Flow

Die Zahlen in diesem Teil stammen aus den Geschäftsberichten. Die getroffenen Annahmen sind allerdings nicht unbedingt realistisch. Wie schon erwähnt, geht es mehr darum, den aktuellen Amazon-Kurs irgendwie zu rechtfertigen - dahinterzukommen, wie aktuelle Amazon-Investoren denken müssen, um den Kurs rechtfertigen zu können – dafür sind meines Erachtens sehr optimistische Annahmen notwendig.

Quelle: Annual Reports, Anklicken zum Vergrößern
Wie wir sehen, kann Amazon die nötigen Investitionen locker aus dem operativen Cash Flow finanzieren. In den meisten Jahren bleibt sogar etwas übrig, das man auf die Seite legen kann – Amazon verfügte Ende 2014 über finanzielle Mittel von ca. USD 17 Mrd., bei Finanzschulden in Höhe von ca. USD 12,5 Mrd.

Wenn wir uns im Sinne oben bereits erwähnter Owner Earnings vor Augen halten, dass sicher nicht der gesamte Capex notwendig ist, um das aktuelle Geschäft zu erhalten, sondern ein ganz wesentlicher Teil davon Wachstumsinvestitionen repräsentieren, können wir sogar einen halbwegs brauchbaren Cash-Gewinn errechnen. Nehmen wir an, drei Viertel des Capex repräsentieren Wachstumsinvestitionen (nochmals: das ist eine stark vereinfachende Rechnung, die nicht unbedingt realistisch ist; ich kann beim besten Willen nicht sagen, ob diese drei Viertel realistisch sind, aber diese lassen den theoretischen Gewinn sehr hoch aussehen). Der theoretische Gewinn (TG) wäre dann:

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Das sieht zumindest viel besser aus, als die GuV-Marge. Noch optimistischere Annahmen möchte ich nicht mehr treffen, weil es irgendwann halt doch sehr unrealistisch wird, selbst für Amazon-Optimisten. Nehmen wir an, wir können diese USD 5.619 Mio. tatsächlich als Gewinn betrachten: das KGV wäre dann noch etwas über 45. Sehr teuer, aber wie ein Kommentator im ersten Teil zur Serie schon anmerkte, nicht mehr so total aus der Welt, wie die KGVs, die mit dem klassischen buchhalterischen Gewinn berechnet werden. Je nachdem, was für Wachstumsraten man für die Zukunft annimmt, könnte man theoretisch sogar in einen rationalen Bereich kommen (je nachdem was man halt als rational betrachtet).

Meines Erachtens müssen heutige Amazon-Investoren solche oder zumindest so ähnliche Annahmen treffen, um ihr Investment zu rechtfertigen. Der TG lässt sich noch etwas erhöhen: man könnte z.B. annehmen, Amazon braucht überhaupt keinen Erhaltungs-Capex, aber wie geschrieben: irgendwann wird es halt sehr unrealistisch.

Ist es das was mir entgeht? Ist die Amazon-Aktie gar nicht so teuer? Nur ein ‚bisschen‘ teuer?

Im nächsten, und wahrscheinlich letzten Teil dieser kleinen Serie sehen wir uns die operativen Cash Flows nochmals genauer an. Warum sind diese im Vergleich zu den Gewinnen so hoch, und können wir die entsprechenden Anpassungen überhaupt als Gewinn betrachten? 

Ich habe mir das bereits angesehen und war, um ehrlich zu sein, etwas verblüfft. 

Weiter zu Teil 3

2 Kommentare:

  1. Der ausgewiesene Capex ist kleiner als der ökonomische, da viele Investitionen von Amazon über Leasing finanziert werden. Berücksichtigt man den Effekt, dann war der Free Cash Flow in den letzten Jahren Negativ. Das spiegelt sich auch in der Aufnahme von Finanzschulden wieder die nicht notwendig gewesen wäre, wenn es wirklich einen positiven Free Cash Flow gegeben hätte.
    Es ist dir vermutlich schon aufgefallen, dass in den Operativen Cash Flow sinkenden (bereits negatives) Working Capital eingeht.

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    1. Danke für den Kommentar.

      Working Capital ist mir aufgefallen, ja. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt.

      Dem Leasing habe ich, ehrlich gesagt, noch gar nicht so viel Beachtung geschenkt. Nach einem kurzen Blick in den letzten Geschäftsbericht muss ich dir aber zustimmen. Das macht die Sache noch etwas interessanter.

      Gruß
      Tom

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