Heute ein Kommentar zu einem
Unternehmen, das sich nicht im Wikifolio und, zum Glück, auch nicht in meinem privaten Depot
befindet: die Commerzbank.
Zur Ausgangslage: die Aktionäre
haben Jahre des Horrors hinter sich. Vor der Finanzkrise, im Jahr 2007 notierte
der Kurs noch über 250 Euro (adjustiert im einen kürzlich durchgeführten
Reverse-Split, bei dem 10 alte zu je einer jungen Aktie zusammengelegt wurden).
Nachdem der Staat dem Institut zur Seite sprang, und einer Reihe von
Kapitalerhöhungen durchgeführt werden mussten, jeweils unter Buchwert, ist der
Buchwert pro Aktie seit 2007 von 230 auf ca. EUR 40 per 31.12.2012
zusammengesackt.
Notiz: Für den starken Rückgang im
Buchwert pro Aktie sind nicht (hauptsächlich) Verluste aus dem operativen
Geschäft verantwortlich, sondern zu einem Großteil eben die unter Buchwert durchgeführten
Kapitalerhöhungen. Notwendig waren die Kapitalerhöhungen, um die stille Einlage
des Bundes (und der Allianz – Stichwort Dresdner Bank) zurückzahlen zu können.
Außerdem auch wegen der äußerst miserablen und riskanten Bilanzstruktur der
Commerzbank in dieser Zeit.
Nun steht die nächste
Kapitalerhöhung an - am Kurstief.
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Nach diesem kurzen Rückblick stellt
sich die Frage: Warum überhaupt darüber schreiben? Viele Investoren verlieren
die Geduld mit dem Management, die Commerzbank wird als ein Fass ohne Boden
empfunden und die Situation verbessert sich anscheinend nicht – kurz gesagt,
die Aktie wird gehasst. Und das ist nun einmal ein Umfeld das in einem (Möchtegern-)
Value-Investor Interesse weckt. Also werfen wir einen Blick auf die Fakten und
versuchen uns dabei von Emotionen frei zu halten.
Die Bilanz
Wie schon kurz erwähnt, war der
miserable Zustand der Bilanz eines der Hauptprobleme in den letzten Jahren. Allerdings
gibt es einige positive Trends zu beobachten. Den Zustand der Bilanz zu
beurteilen geht am einfachsten mit ein paar Kennzahlen, deswegen dieses:
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Das erste was wir hier sehen ist,
dass sich das Verhältnis von ausstehenden Krediten zu Kundeneinlagen extrem
verbessert hat. Es ist auf etwas mehr als 1 gefallen, was einem viel gesünderen
Zustand entspricht als die beinahe 1,4 im Jahr 2009. Außerdem sehen wir auf der
Passivseite eine Gesundung in der Hinsicht, dass inzwischen über 40% der
Bilanzsumme durch Kundeneinlagen finanziert sind, die in absoluter Höhe in etwa
auch dem Wert aus 2009 entsprechen. Warum ist es gut für eine Bank sich über
Kundeneinlagen zu finanzieren? Ganz einfach deswegen, weil das im Normalfall billiger
ist als andere Formen von Fremdkapital – und eigentlich auch dem Grundgedanken
einer Bank entspricht. Gleichzeitig ist – logischerweise – der Anteil an
anderen Passiva (ohne Eigenkapital) gesunken, was gut ist, da dies eben teurer
ist als Kundeneinlagen.
Ein paar Zahlen dazu: Im
Durschnitt hat die Commerzbank von 2009 bis 2012 auf Kundeneinlagen 2% bezahlt,
auf verbriefte Verbindlichkeiten 3,45% und auf anderes Fremdkapital, inkl.
Hyridkapital, ca. 6% - vor der Finanzkrise war das zwar etwas anders, aber vor
der Finanzkrise ist eben nicht nach der Finanzkrise - das haben viele Banken,
inkl. deren Aktionäre, schmerzvoll erfahren müssen.
Und weil es mit Kennzahlen immer
noch am besten geht, auch noch jenes:
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Hier wird deutlich, wie die
Bilanzsumme an sich geschrumpft ist – von etwas über 800 auf 636 Mrd. Euro.
Die blaue Linie zeigt die simple
Relation von Eigenkapital zur Bilanzsumme, während die rote Linie die
regulatorisch wichtige Tier 1 EK-Quote zeigt. Rechnerisch ist diese kompliziert
nachzuvollziehen, da die Aktiva risikogewichtet werden müssen, aber immerhin:
sie wird von verschiedenen Institutionen (wie kompetent die auch immer sein
mögen) überprüft und liegt inzwischen bei über 11%. Man erkennt daran den Abbau
der Risikoaktiva, die simple Eigenkapitalquote lässt zumindest einen leicht
positiven Verlauf erkennen.
Am meisten sticht der Verlauf der
grünen Linie heraus. Ich muss darauf verweisen, dass dies ein reiner Schätzwert
meinerseits ist, berechnet dadurch, dass ich einfach die liquiden Mittel und
theoretisch leicht veräußerbaren Aktiva zusammenzähle, davon alle Passiva
abziehe, die nicht Eigenkapital oder Kundeneinlagen sind und dann ins
Verhältnis zur Bilanzsumme setze. Auch wenn diese Methode sicherlich nicht
exakt ist, eines zeigt sich klar: Die Liquiditätssituation hat sich seit 2009
deutlich verbessert – und zwar so stark dass man fast auf die Idee kommen
könnte, die anstehende Kapitalerhöhung könnte unnötig sein.
Fazit: Die Bilanz kommt aus einem
desaströsen, und ist jetzt langsam in einem akzeptablen Zustand. Es ist sicher
noch einiges zu tun, Nichteinlagen-Fremdkapital sollte (meiner Meinung nach)
weiter abgebaut werden, ebenso wie Problem-Assets auf der Aktivseite. Dazu gleich
mehr: Kommen wir zur
Ertragslage
Eines vorweg: viel Ertrag ist in
den letzten Jahren nicht zu finden. Eigentlich ist die Situation so verworren
(Restrukturierungen, Abschreibungen, Sondereffekte, …), dass ein Blick in die
Gewinn- und Verlustrechnung nicht viel aussagt. Deswegen werfen wir gleich
einen Blick in die Segmentberichterstattung, die etwas informativer und
überhaupt oft sehr hilfreich ist.
Die Commerzbank operiert in 4
Hauptsegmenten (Privatkunden, Mittelstandsbank, CEE und Corporate & Markets)
und dem Bereich Non-core Assets (NCA) – Beschreibungen bitte hier (Online GB 2012) nachlesen.
Wie der Name schon sagt, ist NCA
jener Bereich der abgebaut werden soll. Die Commerzbank schreibt darüber
folgendes (bei mehr Informationsbedarf bitte im Geschäftsbericht nachlesen):
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Da dieser Teil auf längere Sicht
wegfallen wird ist es interessant sich anzusehen, wie denn jene
Unternehmensbereiche aussehen, die langfristig in der Bank bleiben sollen. In
folgender Grafik sind die operativen Gewinne (eine Art EBT, sprich
Vorsteuerergebnis, ohne konzernübergreifende Sondereffekte) und die Assets der
einzelnen Geschäftsbereiche zusammengefasst. Um ein Gefühl für die Rentabilität
zu bekommen, habe ich die Operating ROAs dazu gestellt, also die operativen
Ergebnisse ins Verhältnis zu den jeweiligen Assets gesetzt.
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Was auffällt ist, dass die 4
Hauptsegmente profitabel sind, der Bereich NCA allerdings fast alle Gewinne aus
den anderen Bereichen auffrisst. Prinzipiell ist das gut, da NCA ja früher oder
später wegfallen soll. Die schlechte Nachricht ist, dass NCA rund ein Viertel
der Assets beinhaltet. Diese werden zwar relativ schnell abgebaut (siehe
Entwicklung der Assets seit 2009), allerdings wird es wohl noch eine ganze
Weile dauern, bis davon nichts mehr übrig ist.
Das Management sagt dazu
folgendes: „Die Portfolios im
Nichtkernsegment Non-Core Assets (NCA) sollen bis 2016 im Wesentlichen ohne
Verkäufe und wertschonend um mehr als 40 % verringert werden.“ Die
Aussage stammt aus dem November 2012.
So wie das aussieht, wird NCA die
Ergebnisse der Bank also noch eine ganze Weile verhageln. Im Laufe der Zeit
sollte das allerdings immer weniger werden. Außerdem ist ja auch nicht
ausgeschlossen, dass sich das Geschäft dort etwas erholt, und die ROAs etwas
weniger negativ werden (ähnlich wie z.B. bei den amerikanischen Banken, wo die
Hypothekenkredite plötzlich wieder werthaltig werden, weil der Immobilienmarkt
dreht).
Management
Insgesamt scheint CEO Blessing
doch einige Mühe mit der Bilanz zu haben. Aber sie verbessert sich stetig in
kleinen Schritten, und seine Arbeit ist gar nicht so schlecht wie man in
diversen Börsenforen immer wieder zu lesen bekommt (die Kommentare sind
teilweise deutlich unter der Gürtellinie). Was man ihm aus Aktionärssicht
vorwerfen kann ist der Umgang mit den Aktionären, sprich die Verwässerung des
Buchwerts pro Aktie. Wie schon in
der Einleitung beschrieben, zeichnen dafür zwar die vielen Kapitalerhöhungen
unter Buchwert hauptverantwortlich, was allerdings tatsächlich wie ein Hohn
wirkt ist die Aussage, dass nach gefühlten 100% Kursverlust die Dividende eine
wichtige Rolle spielen soll – zumal in den nächsten 2 Jahren ziemlich sicher
noch nicht mit einer zu rechnen ist (das steht zumindest im Geschäftsbericht).
Um aber nicht nur über die
Geschäftsführung herzuziehen: die Frage ist halt auch, was man hätte anders
machen können? Der Karren war ja schon an die Wand gefahren (Blessing hat
soweit ich weiß erst 2009 als Hauptverantwortlicher übernommen). Kapital wurde
gebraucht und es war halt nur über Kapitalerhöhungen zu bekommen - und die
Kurse sind für kaum eine europäische Bank über Buchwert. Falls ein Aktionär
eine bessere Idee gehabt haben sollte um Kapital zu beschaffen, hätte er das
schon etwas früher einbringen sollen – jetzt ist die Situation nun einmal wie
sie ist: deprimierend für Alt-Aktionäre, aber vielleicht mit Chancen für neue.
Und damit kommen wir zur
Aktie
Wie eingangs erwähnt, hat die
Commerzbank gerade einen Reverse-Split durchgeführt, damit die Kapitalerhöhung
ohne Probleme durchgezogen werden kann. Warum? Weil Börsenmenschen der Meinung
sind, dass es tatsächlich einen Unterschied macht ob man 10 Papiere im Wert von
je einem, oder ein Papier im Wert von 10 Euro hält – dafür kann Blessing
übrigens nichts.
Um ein Gefühl dafür zu bekommen,
wie die Bank seit Lehman bewertet wurde: Seit Mitte 2009 notierte die Aktie
immer in einem Bereich von 0,4 bis 0,8 des Buchwertes pro Aktie zur jeweiligen
Zeit. Das ist auch in etwa der Bereich in dem viele andere europäische
Problembanken notieren. Das aktuelle KBV bei einem Kurs von EUR 10 entspricht
ca. 0,25 – wohlgemerkt vor der Kapitalerhöhung die bald ansteht, und die eine
weitere Verwässerung mit sich bringen wird – also per 31.12.2012. Wir haben
zwar noch keine Details zu der Kapitalerhöhung, aber zumindest können wir uns ein
paar Gedanken darüber machen, wie die Struktur nach der Kapitalerhöhung
aussehen könnte, basierend auf der 2012er Bilanz.
Die Kapitalerhöhung soll eine
Größenordnung von ca. 2,5 Mrd. Euro haben, um die stille Einlage vollständig
zurückzahlen zu können. Ich habe etwas herumprobiert und je nach
Bezugsverhältnis, neuen Aktien und Bezugspreis komme ich auf einen neuen
Buchwert pro Aktie zwischen 22 und 30 EUR, wenn die Kapitalerhöhung durchgeht.
Wenn wir einen fairen Wert über das KBV berechnen wollen und von einem fairen
Wert von 0,5 ausgehen, dann wären das im schlechtesten Fall ca. 11 EUR pro
Aktie, im besten Fall ca. 15 EUR. Da die Aktie inzwischen schon knapp unter 10
notiert, könnte sich also eine Chance auftun. Genaueres werden wir allerdings
erst dann erfahren, wenn die Bedingungen der Kapitalerhöhung feststehen und
sehen, wie der Kurs darauf reagieren wird.
Letztes Jahr hat die Unicredit
(übrigens immer noch mit meiner Meinung nach nicht lupenreiner Bilanzstruktur)
eine solche Kapitalerhöhung durchgeführt, und der Kurs ist nach
Veröffentlichung der Bedingungen in sehr kurzer Zeit auf ein KBV (Buchwert pro
Aktie nach der Kapitalerhöhung) von
ca. 0,25 gefallen, um dann in sehr kurzer Zeit wieder auf ein KBV von 0,4 zu
steigen. Bei der Commerzbank ist ein großer Teil des Kurssturzes schon
passiert. Es ist schwer abzuschätzen, was da noch passieren kann. Meiner Meinung
nach wird es eher abwärts gehen, bis die Bedingungen klar sind – dann wäre es
natürlich besser diese schnell zu veröffentlichen.
Ich werde die Sache auf jeden Fall
weiter beobachten, und entscheiden, wenn die Bedingungen der Kapitalerhöhung
klar sind.
Stay tuned.
Keine Position in den erwähnten
Unternehmen.
Sehr guter Artikel. Er stimmt mich nachdenklich, ob ich mich nicht auch einmal mehr mit Banken auseinandersetzen soll. Warren Buffett war ja immer viel in Banken investiert. Und wenn die Commerzbank es tatsächlich schafft ihre Altschulden abzubauen, dann sehe ich sie als deutsche Mittelstandsbank eigentlich gut positioniert. Die Fragen, die sich mir natürlich stellen, ist die Chance das Risiko von weiteren Problemen wert und gab es nicht ein Paradigmenwechsel in der Finanzbranche, sodass europäische Banken über Jahre nicht mehr viel Geld verdienen werden?
AntwortenLöschenFür mich sind Retailbanken einfacher zu beurteilen als Investmentbanken.
LöschenDas Geldverdienen für Banken wird tatsächlich immer schwieriger, meiner Meinung nach einfach deswegen weil es keine Marktbereinigung gibt, da jedes Institut gerettet wird... die Commerzbank hätte es ja auch erwischen können.
Dazu kommen das herausfordernde Zinsumfeld und die europäische Konjunktur, die derweil einfach nicht anspringen will.
Umso wichtiger ist die Liquidität.
Außerdem bin ich der Meinung, dass es durchaus bessere Banken gibt als die Commerzbank, auch in Europa (ich habe z.B. eine Position in der RBI - Osteuropa, starke Marktstellung, nicht so kompetitiv). Auf der anderen Seite ist die Commerzbank echt wahnsinnig billig, und es sieht so aus als könnte tatsächlich bald Licht am Ende des Tunnels erscheinen. Noch bin ich mir nicht sicher, ob ich eine kleine Position riskieren soll - vor der Kapitalerhöhung wohl nicht.
Danke für den Kommentar.