30. April 2013

Commerzbank: Vor der nächsten Kapitalerhöhung


Heute ein Kommentar zu einem Unternehmen, das sich nicht im Wikifolio und, zum Glück, auch nicht in meinem privaten Depot befindet: die Commerzbank.

Zur Ausgangslage: die Aktionäre haben Jahre des Horrors hinter sich. Vor der Finanzkrise, im Jahr 2007 notierte der Kurs noch über 250 Euro (adjustiert im einen kürzlich durchgeführten Reverse-Split, bei dem 10 alte zu je einer jungen Aktie zusammengelegt wurden). Nachdem der Staat dem Institut zur Seite sprang, und einer Reihe von Kapitalerhöhungen durchgeführt werden mussten, jeweils unter Buchwert, ist der Buchwert pro Aktie seit 2007 von 230 auf ca. EUR 40 per 31.12.2012 zusammengesackt.

Notiz: Für den starken Rückgang im Buchwert pro Aktie sind nicht (hauptsächlich) Verluste aus dem operativen Geschäft verantwortlich, sondern zu einem Großteil eben die unter Buchwert durchgeführten Kapitalerhöhungen. Notwendig waren die Kapitalerhöhungen, um die stille Einlage des Bundes (und der Allianz – Stichwort Dresdner Bank) zurückzahlen zu können. Außerdem auch wegen der äußerst miserablen und riskanten Bilanzstruktur der Commerzbank in dieser Zeit.

Nun steht die nächste Kapitalerhöhung an - am Kurstief.

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Nach diesem kurzen Rückblick stellt sich die Frage: Warum überhaupt darüber schreiben? Viele Investoren verlieren die Geduld mit dem Management, die Commerzbank wird als ein Fass ohne Boden empfunden und die Situation verbessert sich anscheinend nicht – kurz gesagt, die Aktie wird gehasst. Und das ist nun einmal ein Umfeld das in einem (Möchtegern-) Value-Investor Interesse weckt. Also werfen wir einen Blick auf die Fakten und versuchen uns dabei von Emotionen frei zu halten.

Die Bilanz

Wie schon kurz erwähnt, war der miserable Zustand der Bilanz eines der Hauptprobleme in den letzten Jahren. Allerdings gibt es einige positive Trends zu beobachten. Den Zustand der Bilanz zu beurteilen geht am einfachsten mit ein paar Kennzahlen, deswegen dieses:


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Das erste was wir hier sehen ist, dass sich das Verhältnis von ausstehenden Krediten zu Kundeneinlagen extrem verbessert hat. Es ist auf etwas mehr als 1 gefallen, was einem viel gesünderen Zustand entspricht als die beinahe 1,4 im Jahr 2009. Außerdem sehen wir auf der Passivseite eine Gesundung in der Hinsicht, dass inzwischen über 40% der Bilanzsumme durch Kundeneinlagen finanziert sind, die in absoluter Höhe in etwa auch dem Wert aus 2009 entsprechen. Warum ist es gut für eine Bank sich über Kundeneinlagen zu finanzieren? Ganz einfach deswegen, weil das im Normalfall billiger ist als andere Formen von Fremdkapital – und eigentlich auch dem Grundgedanken einer Bank entspricht. Gleichzeitig ist – logischerweise – der Anteil an anderen Passiva (ohne Eigenkapital) gesunken, was gut ist, da dies eben teurer ist als Kundeneinlagen.

Ein paar Zahlen dazu: Im Durschnitt hat die Commerzbank von 2009 bis 2012 auf Kundeneinlagen 2% bezahlt, auf verbriefte Verbindlichkeiten 3,45% und auf anderes Fremdkapital, inkl. Hyridkapital, ca. 6% - vor der Finanzkrise war das zwar etwas anders, aber vor der Finanzkrise ist eben nicht nach der Finanzkrise - das haben viele Banken, inkl. deren Aktionäre, schmerzvoll erfahren müssen.

Und weil es mit Kennzahlen immer noch am besten geht, auch noch jenes:



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Hier wird deutlich, wie die Bilanzsumme an sich geschrumpft ist – von etwas über 800 auf 636 Mrd. Euro.
Die blaue Linie zeigt die simple Relation von Eigenkapital zur Bilanzsumme, während die rote Linie die regulatorisch wichtige Tier 1 EK-Quote zeigt. Rechnerisch ist diese kompliziert nachzuvollziehen, da die Aktiva risikogewichtet werden müssen, aber immerhin: sie wird von verschiedenen Institutionen (wie kompetent die auch immer sein mögen) überprüft und liegt inzwischen bei über 11%. Man erkennt daran den Abbau der Risikoaktiva, die simple Eigenkapitalquote lässt zumindest einen leicht positiven Verlauf erkennen.

Am meisten sticht der Verlauf der grünen Linie heraus. Ich muss darauf verweisen, dass dies ein reiner Schätzwert meinerseits ist, berechnet dadurch, dass ich einfach die liquiden Mittel und theoretisch leicht veräußerbaren Aktiva zusammenzähle, davon alle Passiva abziehe, die nicht Eigenkapital oder Kundeneinlagen sind und dann ins Verhältnis zur Bilanzsumme setze. Auch wenn diese Methode sicherlich nicht exakt ist, eines zeigt sich klar: Die Liquiditätssituation hat sich seit 2009 deutlich verbessert – und zwar so stark dass man fast auf die Idee kommen könnte, die anstehende Kapitalerhöhung könnte unnötig sein.

Fazit: Die Bilanz kommt aus einem desaströsen, und ist jetzt langsam in einem akzeptablen Zustand. Es ist sicher noch einiges zu tun, Nichteinlagen-Fremdkapital sollte (meiner Meinung nach) weiter abgebaut werden, ebenso wie Problem-Assets auf der Aktivseite. Dazu gleich mehr: Kommen wir zur

Ertragslage

Eines vorweg: viel Ertrag ist in den letzten Jahren nicht zu finden. Eigentlich ist die Situation so verworren (Restrukturierungen, Abschreibungen, Sondereffekte, …), dass ein Blick in die Gewinn- und Verlustrechnung nicht viel aussagt. Deswegen werfen wir gleich einen Blick in die Segmentberichterstattung, die etwas informativer und überhaupt oft sehr hilfreich ist. 

Die Commerzbank operiert in 4 Hauptsegmenten (Privatkunden, Mittelstandsbank, CEE und Corporate & Markets) und dem Bereich Non-core Assets (NCA) – Beschreibungen bitte hier (Online GB 2012) nachlesen.

Wie der Name schon sagt, ist NCA jener Bereich der abgebaut werden soll. Die Commerzbank schreibt darüber folgendes (bei mehr Informationsbedarf bitte im Geschäftsbericht nachlesen):


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Da dieser Teil auf längere Sicht wegfallen wird ist es interessant sich anzusehen, wie denn jene Unternehmensbereiche aussehen, die langfristig in der Bank bleiben sollen. In folgender Grafik sind die operativen Gewinne (eine Art EBT, sprich Vorsteuerergebnis, ohne konzernübergreifende Sondereffekte) und die Assets der einzelnen Geschäftsbereiche zusammengefasst. Um ein Gefühl für die Rentabilität zu bekommen, habe ich die Operating ROAs dazu gestellt, also die operativen Ergebnisse ins Verhältnis zu den jeweiligen Assets gesetzt. 


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Was auffällt ist, dass die 4 Hauptsegmente profitabel sind, der Bereich NCA allerdings fast alle Gewinne aus den anderen Bereichen auffrisst. Prinzipiell ist das gut, da NCA ja früher oder später wegfallen soll. Die schlechte Nachricht ist, dass NCA rund ein Viertel der Assets beinhaltet. Diese werden zwar relativ schnell abgebaut (siehe Entwicklung der Assets seit 2009), allerdings wird es wohl noch eine ganze Weile dauern, bis davon nichts mehr übrig ist.

Das Management sagt dazu folgendes: „Die Portfolios im Nichtkernsegment Non-Core Assets (NCA) sollen bis 2016 im Wesentlichen ohne Verkäufe und wertschonend um mehr als 40 % verringert werden.“ Die Aussage stammt aus dem November 2012.

So wie das aussieht, wird NCA die Ergebnisse der Bank also noch eine ganze Weile verhageln. Im Laufe der Zeit sollte das allerdings immer weniger werden. Außerdem ist ja auch nicht ausgeschlossen, dass sich das Geschäft dort etwas erholt, und die ROAs etwas weniger negativ werden (ähnlich wie z.B. bei den amerikanischen Banken, wo die Hypothekenkredite plötzlich wieder werthaltig werden, weil der Immobilienmarkt dreht).

Management

Insgesamt scheint CEO Blessing doch einige Mühe mit der Bilanz zu haben. Aber sie verbessert sich stetig in kleinen Schritten, und seine Arbeit ist gar nicht so schlecht wie man in diversen Börsenforen immer wieder zu lesen bekommt (die Kommentare sind teilweise deutlich unter der Gürtellinie). Was man ihm aus Aktionärssicht vorwerfen kann ist der Umgang mit den Aktionären, sprich die Verwässerung des Buchwerts pro Aktie. Wie schon in der Einleitung beschrieben, zeichnen dafür zwar die vielen Kapitalerhöhungen unter Buchwert hauptverantwortlich, was allerdings tatsächlich wie ein Hohn wirkt ist die Aussage, dass nach gefühlten 100% Kursverlust die Dividende eine wichtige Rolle spielen soll – zumal in den nächsten 2 Jahren ziemlich sicher noch nicht mit einer zu rechnen ist (das steht zumindest im Geschäftsbericht).
Um aber nicht nur über die Geschäftsführung herzuziehen: die Frage ist halt auch, was man hätte anders machen können? Der Karren war ja schon an die Wand gefahren (Blessing hat soweit ich weiß erst 2009 als Hauptverantwortlicher übernommen). Kapital wurde gebraucht und es war halt nur über Kapitalerhöhungen zu bekommen - und die Kurse sind für kaum eine europäische Bank über Buchwert. Falls ein Aktionär eine bessere Idee gehabt haben sollte um Kapital zu beschaffen, hätte er das schon etwas früher einbringen sollen – jetzt ist die Situation nun einmal wie sie ist: deprimierend für Alt-Aktionäre, aber vielleicht mit Chancen für neue. Und damit kommen wir zur

Aktie

Wie eingangs erwähnt, hat die Commerzbank gerade einen Reverse-Split durchgeführt, damit die Kapitalerhöhung ohne Probleme durchgezogen werden kann. Warum? Weil Börsenmenschen der Meinung sind, dass es tatsächlich einen Unterschied macht ob man 10 Papiere im Wert von je einem, oder ein Papier im Wert von 10 Euro hält – dafür kann Blessing übrigens nichts.

Um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie die Bank seit Lehman bewertet wurde: Seit Mitte 2009 notierte die Aktie immer in einem Bereich von 0,4 bis 0,8 des Buchwertes pro Aktie zur jeweiligen Zeit. Das ist auch in etwa der Bereich in dem viele andere europäische Problembanken notieren. Das aktuelle KBV bei einem Kurs von EUR 10 entspricht ca. 0,25 – wohlgemerkt vor der Kapitalerhöhung die bald ansteht, und die eine weitere Verwässerung mit sich bringen wird – also per 31.12.2012. Wir haben zwar noch keine Details zu der Kapitalerhöhung, aber zumindest können wir uns ein paar Gedanken darüber machen, wie die Struktur nach der Kapitalerhöhung aussehen könnte, basierend auf der 2012er Bilanz.

Die Kapitalerhöhung soll eine Größenordnung von ca. 2,5 Mrd. Euro haben, um die stille Einlage vollständig zurückzahlen zu können. Ich habe etwas herumprobiert und je nach Bezugsverhältnis, neuen Aktien und Bezugspreis komme ich auf einen neuen Buchwert pro Aktie zwischen 22 und 30 EUR, wenn die Kapitalerhöhung durchgeht. Wenn wir einen fairen Wert über das KBV berechnen wollen und von einem fairen Wert von 0,5 ausgehen, dann wären das im schlechtesten Fall ca. 11 EUR pro Aktie, im besten Fall ca. 15 EUR. Da die Aktie inzwischen schon knapp unter 10 notiert, könnte sich also eine Chance auftun. Genaueres werden wir allerdings erst dann erfahren, wenn die Bedingungen der Kapitalerhöhung feststehen und sehen, wie der Kurs darauf reagieren wird.

Letztes Jahr hat die Unicredit (übrigens immer noch mit meiner Meinung nach nicht lupenreiner Bilanzstruktur) eine solche Kapitalerhöhung durchgeführt, und der Kurs ist nach Veröffentlichung der Bedingungen in sehr kurzer Zeit auf ein KBV (Buchwert pro Aktie nach der Kapitalerhöhung) von ca. 0,25 gefallen, um dann in sehr kurzer Zeit wieder auf ein KBV von 0,4 zu steigen. Bei der Commerzbank ist ein großer Teil des Kurssturzes schon passiert. Es ist schwer abzuschätzen, was da noch passieren kann. Meiner Meinung nach wird es eher abwärts gehen, bis die Bedingungen klar sind – dann wäre es natürlich besser diese schnell zu veröffentlichen.

Ich werde die Sache auf jeden Fall weiter beobachten, und entscheiden, wenn die Bedingungen der Kapitalerhöhung klar sind.

Stay tuned.

Keine Position in den erwähnten Unternehmen.






2 Kommentare:

  1. Sehr guter Artikel. Er stimmt mich nachdenklich, ob ich mich nicht auch einmal mehr mit Banken auseinandersetzen soll. Warren Buffett war ja immer viel in Banken investiert. Und wenn die Commerzbank es tatsächlich schafft ihre Altschulden abzubauen, dann sehe ich sie als deutsche Mittelstandsbank eigentlich gut positioniert. Die Fragen, die sich mir natürlich stellen, ist die Chance das Risiko von weiteren Problemen wert und gab es nicht ein Paradigmenwechsel in der Finanzbranche, sodass europäische Banken über Jahre nicht mehr viel Geld verdienen werden?

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    1. Für mich sind Retailbanken einfacher zu beurteilen als Investmentbanken.

      Das Geldverdienen für Banken wird tatsächlich immer schwieriger, meiner Meinung nach einfach deswegen weil es keine Marktbereinigung gibt, da jedes Institut gerettet wird... die Commerzbank hätte es ja auch erwischen können.
      Dazu kommen das herausfordernde Zinsumfeld und die europäische Konjunktur, die derweil einfach nicht anspringen will.
      Umso wichtiger ist die Liquidität.

      Außerdem bin ich der Meinung, dass es durchaus bessere Banken gibt als die Commerzbank, auch in Europa (ich habe z.B. eine Position in der RBI - Osteuropa, starke Marktstellung, nicht so kompetitiv). Auf der anderen Seite ist die Commerzbank echt wahnsinnig billig, und es sieht so aus als könnte tatsächlich bald Licht am Ende des Tunnels erscheinen. Noch bin ich mir nicht sicher, ob ich eine kleine Position riskieren soll - vor der Kapitalerhöhung wohl nicht.

      Danke für den Kommentar.

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