9. April 2013

Semperit AG Holding


Die Semperit Gruppe ist nach Eigenangabe das (mit ca. 190 Jahren) älteste Kautschuk verarbeitende Unternehmen Europas. Neben Kautschuk- werden auch  Kunststoffprodukte hergestellt. Der Firmensitz ist Wien und die Aktie notiert an der Wiener Börse  mit der ISIN AT0000785555. Die folgende Grafik aus dem Geschäftsbericht 2012 gibt einen Überblick über die Unternehmensstruktur, Markpositionen sowie die wichtigsten Produkte des Unternehmens:


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Der Umsatzbeitrag von Sempermed machte in 2012 ca. 46% aus, der von Semperflex rund 22%, Sempertrans ca. 17%, der restliche Umsatz kam von Semperform (nicht ganz 15%). Die folgende Grafik gibt eine Übersicht über die operativen Margen (Operatives Ergebnis in Prozent vom Umsatz), die diese vier Geschäftsbereiche seit 2002 erzielt haben.

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Wie zu sehen ist, sind die Margen in einigen Geschäftsbereichen recht volatil, allerdings sind sie nie negativ. Anfangs dachte ich mir, dass Sempermed von den Margen her viel stabiler sein müsste, als die anderen Geschäftsbereiche, da ich glaubte dass das Geschäft mit medizinischen Handschuhen ziemlich stabil laufen sollte. Die Grafik zeigt aber, dass das gar nicht unbedingt der Fall ist. In Summe sind die Margen aber recht stabil, da sich gute und schlechte Ergebnisse der verschiedenen Segmente immer halbwegs auszugleichen scheinen. Um das zu verdeutlichen zeigt die folgende Grafik die Vorsteuermarge und, um eine ungefähre Vorstellung von der Renditen zu erhalten, die Eigenkapitalrendite (ROE) und die Rendite auf die Bilanzsumme gleich dazu (ROA, wobei der Goodwill von der Bilanzsumme abgezogen wurde).
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Umgelegt auf Gewinn und Dividende pro Aktie sieht das so aus:
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Ein Exkurs:

Die etwas schlechteren Vorsteuermargen und Renditen seit 2010 stammen, neben dem etwas zäheren Geschäftsverlauf, aus einer buchhalterischen Eigenheit, die meiner Meinung nach nicht allzu viel zu bedeuten hat. In der Gewinn- und Verlustrechnung wird seit 2010 im Finanzergebnis eine Art Zins für „kündbare Minderheiten“ abgezogen, der vorher unter dem Posten „Anteile nicht beherrschender Gesellschafter“ abgezogen wurde (erst nach der Steuer) – dadurch wird die Vorsteuermarge etwas in Mitleidenschaft gezogen. Dieser Posten muss im Finanzergebnis abgezogen werden wenn
„einem nicht beherrschenden Gesellschafter eines Tochterunternehmens ein unbedingtes Kündigungsrecht zusteht oder wenn die Gesellschaft, an der ein nicht beherrschender Gesellschafter beteiligt ist, befristet ist“
Zusätzlich entsteht in der Bilanz eine Verbindlichkeit (statt eines Ausweises im Eigenkapital unter „nicht beherrschende Anteile“) die irgendwann zu bezahlen sein wird/könnte. Nachdem ich die Bilanz angesehen habe, dachte ich mir aber
  • Die (geschätzte) Höhe dieser Verbindlichkeit scheint nicht allzu Besorgnis erregend zu sein. Theoretisch könnte sie mit aus den Cash-Beständen getilgt werden.
  • Falls die Verbindlichkeit fällig wird, müsste sie ja in Eigenkapital „getauscht“ werden – was mir eh lieber wäre. Es wäre aber wohl eine Cash-Zahlung erforderlich.
  • Ob der Aufwandsposten im Finanzergebnis oder unter „nicht beherrschende Anteile“ abgezogen wird, kann mir als Aktionär eigentlich egal sein. Das Nettoergebnis für die Aktionäre wird auf jeden Fall vermindert.
  • Es könnte sogar ein positiver Effekt entstehen, wenn dieser Aufwandsposten von der Steuerzahlung abgesetzt werden kann (worüber ich mir noch im Unklaren bin – ich wäre froh, wenn mir das jemand mit tieferen Buchhaltungskenntnissen beantworten könnte)
Ich habe für die Margen in obiger Grafik auf jeden Fall die veröffentlichten Vorsteuerergebnisse benutzt. Wer den Effekt rausrechnen möchte, muss das also selber machen.

Geschäftsbereich Medizin

Im Bereich Sempermed hatte das Unternehmen in letzter Zeit etwas Probleme was, nach allem was ich herausfinden konnte, an Überkapazitäten im Markt für die Art von Handschuhen liegt die Semperit produziert. Dadurch konnten gestiegene Rohstoffpreise nicht gleich weitergegeben werden, und in Thailand hat es auch noch Belastungen durch einen Sturm gegeben. Im Laufe der nächsten Jahre sollte sich das, meiner Meinung nach, wieder legen. Gegen Ende 2012 hat Semperit die bisher größte Übernahme der Firmengeschichte getätigt – Latexx Partners. Weil die Akquisition erst gegen Ende des Jahres stattfand, ist ein Ergebnisbeitrag im Jahr 2012 noch kaum auszumachen. Das ist übrigens auch einer der Gründe warum der ROA in der Grafik weiter oben im 2012er Jahr gar so schlecht aussieht – die Assets sind schon in der Bilanz, Gewinn aber noch keiner. Ein Kommentar zu dieser Übernahme aus dem Geschäftsbericht 2012:
„Latexx ist einer der größten Produzenten medizinischer Handschuhe in Malaysia. Durch die Übernahme von Latexx Partners kann die Semperit Gruppe ihre Position am globalen Handschuhmarkt signifikant stärken, ihr Produktportfolio aufwerten, neue Kundengruppen beliefern und erhält Zugang zu neuen, innovativen Produkten.“
Ob der gezahlte Preis gerechtfertigt ist, wird sich erst in Zukunft weisen. Die Margen von Latexx sind auf den ersten Blick nicht schlecht. Der Preis ist allerdings auch deutlich über Buchwert, was der durch die Akquisition entstandene Goodwill in der Bilanz zeigt.

Zusammenfassend kann man sagen, dass Sempermed im Moment ein paar Probleme hat, aber
  • ein Weltmarktanteil von 8% im Bereich Untersuchungshandschuhe und ein Anteil von über 15% im Bereich Operationshandschuhe in Europa – starke Marktpositionen,
  • demografischer Wandel und eine weltweit höhere Lebenserwartung,
  • ein steigendes Hygienebewusstsein und zunehmender Wohlstand in den Wachstumsmärkten Asien und Lateinamerika
  • innovative F&E Aktivitäten, Beispiel: „So gelang es Sempermed als weltweit erstem Hersteller, einen Operationshandschuh aus dem naturlatexähnlichen Material Polyisopren zu entwickeln, der anstelle von allergieauslösenden Beschleunigerchemikalien durch UV-Licht vernetzt wird. Diese Innovation wurde im November 2012 auf der weltweit größten Medizinfachmesse „Medica in Düsseldorf erstmals präsentiert; die Markteinführung ist für 2013 geplant.“ (Ich muss zugeben, dass mir das nicht viel sagt. Ich sehe ‚nicht-allergie-auslösend‘ und bin schon beeindruckt…)

sollten auch wieder bessere Zeiten zulassen. Zumal sich andere Unternehmen die momentan gedrückten Zahlen von Sempermed in guten Zeiten wünschen würden.

Geschäftsbereich Industrie

In diesem Geschäftsbereich läuft es momentan ganz gut, deshalb möchte ich nur einen kurzen Überblick darüber geben, wovon der Geschäftsverlauf in Zukunft abhängen könnte – im Geschäftsbericht ist das übrigens sehr schön zusammengefasst. Gedanken zu Chancen und Risiken darf sich der Leser gerne selbst machen. Ich persönlich denke, dass die Chancen überwiegen, und Semperit sich mit seinen starken Marktpositionen vor der Zukunft nicht zu fürchten braucht.

Der Bereich Semperflex ist abhängig von Investitionen in die Infrastruktur (Hydraulik- und Industrieschläuche) und den Entwicklungen im Agrarsektor (Traktoren, Mähdrescher, Erntemaschinen). Dabei ist vor allem interessant, wie in Asien und Lateinamerika durch Maschineneinsatz auf Automatisierung der Landwirtschaft umgestellt wird. Der Bereich Sempertrans produziert viele Förderbänder für den Bergbau, und da in erster Linie für Steinkohle. Ich habe zwar keine Ahnung wie sich speziell die Steinkohlenachfrage entwickeln wird, die IEA meint dass sich in den nächsten 15 Jahren vor allem die Steinkohlenachfrage aus China erhöhen wird. Wobei mir die folgende Grafik etwas gewagt vorkommt – ausschließen möchte ich so eine Entwicklung allerdings auch nicht.
  
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Semperform ist in kleineren Marktnischen tätig. Wichtige Faktoren für die Nachfrage nach Produkten sind Investitionen in Infrastruktur, Situation der Baubranche (Fensterprofile), Urbanisierung (vor allem in Asien - Handläufe in Kaufhäusern, U-Bahnen, Flughäfen etc.) und, als österreichisches Unternehmen, natürlich, die Schneelage (Ski- und Gummifolien für Skier, Snowboards, Lifte und andere Anlagen in Wintersportorten).

Bewertung

Der Gewinn pro Aktie lag 2012 bei EUR 2,25, der durchschnittliche Gewinn pro Aktie in den letzten 5 Jahren bei EUR 2,16. In beiden Fällen kommen wir auf ein KGV von etwas über 13. Der Buchwert pro Aktie liegt bei knapp EUR 20. Durch die Latexx-Akquisition hat sich allerdings ein hoher Goodwill gebildet. Wenn wir diesen abziehen bleiben noch ca. EUR 15 Buchwert pro Aktie übrig. Die Dividende für 2012 beträgt EUR 0,80, was bei einem Kurs von ca. EUR 30 eine Dividendenrendite von etwa 2,7% ergibt.

Diese Zahlen zeigen, dass die Semperit-Aktie nicht unbedingt stinkbillig ist. Zu bedenken ist jedoch, dass das Geschäftsumfeld in den letzten 5 Jahren sehr schwierig war, wobei sich die Geschäftsverläufe in den einzelnen Segmenten recht unterschiedlich entwickelten. Die Zahlen über die letzten 10 Jahre zeigen jedoch, dass die Semperit Gruppe in all ihren Märkten eine starke Stellung hat, und ich denke, dass sich daran grundlegend nicht viel geändert hat. Wenn sich die Situation bei Sempermed wieder etwas gebessert hat, die Latexx-Akquisition sich in den Gewinn- und Verlustrechnungen auswirkt, und etwas zusätzliches Wachstum auch aus den anderen Geschäftsbereichen kommt (das Management will das Geschäft bis 2015 durchschnittlich mit 10% wachsen lassen und dabei eine EBIT-Marge zwischen 8 und 11% erreichen – was ich nicht für unrealistisch halte, die durchschnittliche EBIT-Marge seit 2002 liegt bei 10%), dann sollte ein Gewinn von EUR 3 pro Aktie möglich sein. Ich habe auch ein bisschen mit einem DCF-Modell herum- und verschiedene Szenarien durchgespielt (DCF ist halt immer so eine Sache…) und komme zu dem Schluss dass die Aktie EUR 45 aufwärts wert sein könnte.

Wie schon erwähnt, die Aktie ist nicht stinkbillig, aber man kauft mit Semperit ein Qualitätsunternehmen. Und zu teuer ist die Aktie meiner Meinung nach auf keinen Fall. Long.



Praktisch alle Rohdaten und Fakten stammen von der Investor Relations Seite der Semperit Gruppe, der größte Teil aus den Geschäftsberichten:

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