11. März 2016

Express Scripts: Pharmacy Benefit Management (PBM) – Teil 1

Anmerkung: ich habe bisher nicht in Express Scripts investiert, und bin mir auch noch nicht sicher, ob ich das tun werde.

Ein Feld in das ich trotz relativ solider Wachstumsaussichten noch nicht wirklich investiert habe ist das Gesundheitswesen. Der offensichtliche Kandidat, Pharma, war mir immer etwas zu kompliziert. In erster Linie weil es mir komplett unmöglich ist die Erfolgsaussichten von verschiedenen Pipeline-Projekten abzuschätzen – ein extrem wichtiger Faktor in der Bewertung dieser Unternehmen, weil immer wieder Patente ablaufen (die in den Generika-Sektor wandern) die durch ebendiese Pipeline wieder gefüllt werden müssen (oder über Akquisitionen).

Ein Kandidat in der Gesundheitsbranche, so dachte ich mir, könnte das Apothekenfeld sein: das ist im Prinzip dem normalen Handel nicht unähnlich, wenn auch mit Auflagen verbunden. Speziell in den USA gibt es da einige Ketten, die einen Blick wert sein könnten (in der Schweiz wird es mit der Abspaltung von Sante von Galenica – geplant in Q4 2016 – bald ebenfalls einen interessanten Kandidaten geben). Was mir persönlich im Zuge meiner (über die Jahre verteilten) Recherchen immer wieder auffiel ist aber, dass ein Geschäftszweig besonders rentabel ist: PBMs.

Die kommen immer wieder vor: 
  • integriert in eine Apothekenkette (beispielsweise CVS Health), sonstigen Dienstleistungsanbietern (beispielsweise UnitedHealth) oder in der Vergangenheit auch in Pharmaunternehmen (was ein schwerwiegender Interessenskonflikt ist, ich glaube das ist heutzutage eher selten; ich kenne kein solches Beispiel)
  • unabhängig: Express Scripts ist der größte unabhängige PBM in Nordamerika. Und zwar mit einigem Abstand.

PBMs werden immer wieder integriert (2015 beispielsweise Übernahme von Catamaran durch UnitedHealth) und abgespalten/verkauft/übernommen (Express Scripts – Medco 2012, 2009 wurde die PBM-Sparte von Anthem übernommen – worauf ich im zweiten Teil noch zurückkommen werde). Beide Formen scheinen ihre Vor- und Nachteile zu haben, wobei Express Scripts darauf besteht, dass die unabhängige Variante die am meisten Wert schaffende für ihre Kunden und sich selbst (bzw. Aktionäre) ist. Wenn wir uns die Finanzkennzahlen ansehen, ist das nicht unbegründet, denn sie schneiden im Vergleich zu Konkurrenz sehr gut ab. Zumindest wenn wir davon ausgehen, dass vermehrter Kundennutzen zu vermehrtem Gewinn führt – auf einige Probleme mit diesem Ansatz komme ich ebenfalls im zweiten Teil noch zurück.

Umsatz und Margen:

Quelle: 10-Ks der entsprechenden Jahre von Express Scripts und dessen Vorläufer
Große Veränderungen wie 2009 -2010 oder 2011-2012 sind auf oben erwähnte Akquisitionen zurückzuführen, die die Margenstruktur teilweise stark verändert haben. Aus der operativen Marge habe ich akquisitions-bedingte Abschreibungen exkludiert, ebenso Kosten für Integration u.ä. (d.h. das ist mehr oder weniger eine Schätzung meinerseits, wobei vor allem Integrationskosten und gelegentliche Gerichtskosten immer wieder vorkommen – es geht mir mehr darum zu zeigen, wie sich das Basisgeschäft abseits dieser Effekte entwickelt). Die EBIT-Marge habe ich auch inkludiert um zu veranschaulichen, wie groß der Unterschied zwischen (optimistisch angesetzten) ökonomischen und buchhalterischen Gewinnen sein könnte.

Wenn wir die GuV auf einzelne Geschäftsakte herunterbrechen, sieht das so aus (diesmal ohne EBIT):
Oben: Anzahl „claims“ in Millionen (l.S.); Umsatz, Kosten des Umsatzes und Bruttogewinn pro Claim (r.S.)
Unten: (wieder) Bruttogewinn, SGA und operativer Gewinn pro Claim
In USD
Als letzte Grafik noch, wie sich das im Gewinn je Aktie niederschlägt, zusammen mit einer Anmerkung: das Geschäft ist nicht sehr kapitalintensiv. Der durchschnittliche ROA (mit Abschreibungen auf akquirierte immaterielle Werte und inkl. Goodwill) seit 2010 beträgt 5,7%. Wenn wir den ROA um Goodwill u.ä. bereinigen und anstatt des ausgewiesenen Gewinnes die hier von mir geschätzten Owner Earnings heranziehen, steigt dieser auf ca. 28%. Ein guter Teil des Wachstums im Gewinn je Aktie ist auf Aktienrückkäufe zurückzuführen.

Anmerkung: die Owner Earnings sind bewusst optimistisch geschätzt, d.h. ich habe alle weiter oben schon erwähnten Einflüsse herausgerechnet. Der wahre ökonomische Gewinn je Aktie dürfte irgendwo zwischen der blauen und der grauen Linie liegen. Ich würde aber argumentieren näher an der grauen als an der blauen.
Kurs der Aktie per heute: USD 68 (d.h. KGV zwischen 11,6 und 18,8 - je nachdem) und damit möglicherweise in einem halbwegs günstigen Bereich für so ein… ich nenne es jetzt einmal Cash-Flow-Monster.

Was wir bisher feststellen ist, dass
  • das ein sehr niedrig-margiges Geschäft ist,
  • das über hohes Volumen operativ zu Skaleneffekten führt;
  • der Umsatz an und für sich nicht viel aussagt, sondern
  • der Bruttogewinn entscheidend ist für den wirtschaftlichen Erfolg.

Das ist aber nicht alles. Ich weiß nicht, wie es dir als Leser geht, aber ich habe die Analyse bis hierher als relativ einfach empfunden. Das eigentliche Rätsel aber, und mit dem habe ich einige Zeit gekämpft, ist:

Was machen diese PBMs eigentlich genau? Was ermöglicht diese phänomenalen Zahlen?

Um diese Fragen zu beantworten, müssen wir einen tieferen Einblick in das Geschäftsmodell nehmen. Vor ein paar Wochen hatte ich davon noch überhaupt keine Vorstellung, inzwischen bin ich zumindest etwas klüger. Außerdem gibt es auch einige nicht zu unterschätzende Risiken.


Quellen

6 Kommentare:

  1. Cooler Artikel. Ich bin gespannt auf den zweiten Teil. Ich selbst habe ja CVS Health und das ist die größte Position bei mir.

    Express habe ich mir im Detail noch nicht angeschaut. Was mir neben den wachsenden Margen auffällt, sind die fallenden Claimzahlen. Wir sind die zu deuten?

    AntwortenLöschen
  2. Servus Christian,

    Ich nehme an, du sprichst hauptsächlich den Rückgang von 2013 auf 2014 an. Ich möchte darauf noch im zweiten Teil zurückkommen, da das zu den offensichtlichen Risiken gehört. Derweil einmal so viel:

    Einzelne Kunden können einen Großteil des Umsatzes ausmachen, bei Express Scripts: Anthem ca. 16%, Verteidigungsministeriums ca. 13%. Bis 2012/13 war UnitedHealth ein großer Kunde. Die haben aber 2012 ihre eigene PBM-Sparte verstärkt (Übernahme von Catamaran) und ihre Verträge mit Express Scripts (Medco, die ja von Express übernommen wurden) logischerweise gekündigt, weil sie das jetzt selber machen.

    Im Jänner hat Anthem (heute größter Kunde) öffentlich Druck auf Express Scripts aufgebaut. In meinen Augen ein no-go vonseiten Anthem, aber ich kann nur spekulieren, ob die Aussagen gerechtfertigt sind - Express sagt natürlich nein.

    Wie auch immer, derzeit sieht es nicht so aus, als ob der Anthem Vertrag, der noch bis 2019 läuft (ein Überbleibsel aus der 2009er-Übernahme der PBM-Sparte von Wellpoint)verlängert wird, ganz abgesehen von den vorgebrachten Anschuldigungen.

    Das dürfte auch DER Grund sein, warum die Aktie im Januar so nachgegeben hat.

    Außerdem muss ich folgende Aussage aus dem Post nochmal korrigieren:

    "der Umsatz an und für sich nicht viel aussagt"

    Der Bruttogewinn ist doch eine (sehr direkte) Funktion des Umsatzes, in dem Sinne, dass Ersterer mehr oder weniger in Prozenten des Zweiteren fixiert ist. D.h. je höher der Umsatz, desto höher der Bruttogewinn. Ich versuche das im zweiten Teil nochmal zu erläutern. Das habe ich hier offensichtlich etwas verwurschtelt...

    Tom

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Noch einmal eine Verbesserung: UnitedHealth - Catamaran war erst 2015. Aber UnitedHealth hat schon vorher angefangen, die PBM-Sparte zu verstärken, 2012/13-Rückgang ist auf jeden Fall darauf zurückzuführen.

      Ich habe von da aus, wo ich dies hier schreibe, gerade keinen Zugriff auf meine Unterlagen. Entschuldigung für die Konfusion.

      Tom

      Löschen
  3. Stimmt, das mit United Health hatte ich gelesen und ebenso das mit Anthem, aber ohne mich darum groß zu kümmern. United Health hatte sich einen PBMler zugekauft, aber ich weiß jetzt auch nicht mehr wie der hieß.

    Nochmals Glückwunsch zu deinem Artikel. Das ist das erste Mal, dass ich sehe, dass sich jemand im deutschsprachigen Raum damit beschäftigt. Daher bin ich jetzt wirklich auf den zweiten Teil gespannt und freue mich auf eine neue Sicht der Dinge.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ich habe mir gerade deine Artikel zu Cardinal Health und den großen drei Pharmagroßhändlern in den USA durchgelesen. Hast du auch einen Artikel zu CVS Health geschrieben? Ich habe keinen gefunden, würde mich aber interessieren ;-)

      Löschen
  4. Ja habe ich, aber das ist schon eine ganze Weile her, Anfang 2015 siehe hier: http://www.stock-blog.de/2015/01/09/cvs-health-ein-profitables-gesch%C3%A4ftsmodell/. Einige Dinge dort würde ich heute vielleicht anders pointieren, aber im Großen und Ganzen stimmt es noch. Auch wenn sich durch die Zukäufe von CVS im letzten Jahr einiges geändert hat. Später habe ich dann mehr über letztere (Kauf Omnicare) geschrieben. Siehe hier, speziell meine Antwort unten in den Kommentaren: http://www.stock-blog.de/2015/05/24/cvs-im-kaufrausch-omnicare/

    Viel Spaß beim Lesen und du darfst ungeniert klauen, habe ich nichts dagegen.

    AntwortenLöschen