Vienna
Insurance Group (VIG, AT0000908504). Hier geht es zum
Konzernprofil: http://www.vig.com/de/vig/konzern/profil.html.
Prinzipiell versuche ich
Versicherungsgeschäfte so zu analysieren wie Warren Buffett. Denjenigen die
sich dafür interessieren, empfehle ich seine Geschäftsberichte zu lesen,
abrufbar hier:
Kurz gesagt: es geht um
‚Underwriting Profits‘. Warum? Wie bei jedem Finanzunternehmen, ist die
wichtigste Komponente die Differenz zwischen den Kapitalkosten für Fremdkapital
und der Anlagerendite die auf die Finanzanlagen verdient wird. Wobei niedrige
FK-Kosten hohen Anlagerenditen vorgezogen werden, da letzteres meist mit erhöhtem
Risiko einhergeht.
Versicherungen haben zwei große
Einnahmequellen: Versicherungsprämien und Einnahmen aus Finanzanlagen. Davon
werden Versicherungsleistungen und operative Kosten abgezogen, und wir landen
beim Vorsteuerergebnis (EBT).
Die Aktivseite der Bilanz besteht
zum Großteil aus Finanzanlagen, die eine Rendite erzielen, während die Passivseite zum größten Teil aus
versicherungstechnischen Rückstellungen besteht. Diese sind keine zinstragenden
Verbindlichkeiten, dennoch werden Fremdkapitalkosten dafür fällig (und sie sind eine Annäherung an das was Buffett ‚Float‘ nennt).
Was genau sind diese Kosten? Laut
Buffett nichts anderes als der Underwriting Profit. Er untereilt das Vorsteuerergebnis in den
Anteil, der aus Finanzanlagen kommt, und den Anteil, der aus dem
Versicherungsgeschäft (eben ohne das Finanzanlageergebnis) entsteht. Das
letztere ist der Underwriting Profit, welcher bei einem Großteil der
Versicherungen negativ (also ein Verlust) ist. Umso höher dieser Verlust
ausfällt, umso höher sind die Kosten für den Float (das Fremdkapital). Sinkt
die erreichte Rendite aus Finanzanlagen auf die Höhe des Underwriting Profit (der
Floatkosten), bleibt ein Gewinn von Null über. Das ist besonders in einem
Niedrigzinsumfeld wie heute leicht vorstellbar. Umso wichtiger ist der
Underwriting Profit, der in erster Linie durch konservatives Schreiben von neuen Versicherungen positiv beeinflusst wird - sprich, dass die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass die anfallenden Versicherungsleistungen und operativen Kosten durch die laufenden Prämieneinnahmen gedeckt werden können.
Einfaches Rechenbeispiel:
Einfaches Rechenbeispiel:
1
|
Prämieneinnahmen
|
1000
|
2
|
Finanzergebnis
|
200
|
3
|
Schadensfälle
|
-900
|
4
|
operative Kosten
|
-170
|
5
|
EBT
|
130
|
Underwriting
Profit
(5-2) oder
(1+3+4)
|
-70
|
Was der Wahnsinn an der Sache ist:
Bei einem positiven Underwriting Profit entstehen negative
Floatkosten. Die Versicherung wird dafür bezahlt, Fremdkapital zu
halten.
(Das ist wie wenn wir EUR 100 ausleihen, dafür Geld bekommen, und zu,
sagen wir, 3% relativ risikoarm investieren können - Leverage.)
Dies ist eines
der größten Geheimnisse von Warren Buffett. Sieht man sich die Bilanzen (bzw.
GuV’s) von Berkshire Hathaway an, stellt man fest, dass das Unternehmen in den
letzten 9 (!) Jahren durchwegs weniger als Null Prozent für den Float bezahlt
hat, da der Underwriting Profit immer positiv war.
Der Haken an der Sache: es kommt nur selten vor, dass man Versicherungen findet, die das erreichen.
Schauen wir uns nun die Vienna
Insurance Group an. Wir konzentrieren uns auf die Bereiche Schaden/Unfall und
Krankenversicherung, da der Bereich Lebensversicherung etwas anders funktioniert
(das ist allerdings der anteilsmäßig größte Konzernbereich). Die Rohdaten (EBT
und Anlagergebnis) stammen aus den Konzernberichten (Segmentberichterstattung),
die anderen Werte sind von mir berechnet.
Alle Zahlen in Mio. EUR (außer Prozentzahlen
natürlich):
Wir haben hier also ein
Unternehmen vor uns, das, zumindest in den Bereichen Schaden/Unfall und Kranken,
Underwriting Profits erwirtschaftet. Sprich Fremdkapital für 0% Zinsen
bekommt (oder weniger, wenn man so will).
Zum Bereich Leben werde ich vielleicht irgendwann auch einen Kommentar abgeben, derweil kann ich nur sagen, dass ich darin zumindest kein allzu großes Risiko sehe.
Zum Bereich Leben werde ich vielleicht irgendwann auch einen Kommentar abgeben, derweil kann ich nur sagen, dass ich darin zumindest kein allzu großes Risiko sehe.
Die VIG ist in Osteuropa
aktiv (etwa die Hälfte des Geschäfts, die andere Hälfte findet in Österreich
statt), und die Frage ist, ob wir dort investieren wollen.
Die VIG selbst sieht ausreichend Wachstumspotential. Aus dem Geschäftsbericht:
Ausserdem
betreibt die VIG eine strategische Partnerschaft mit der Erste Group Bank, die
ebenfalls in Österreich und CEE aktiv ist. Wieder aus dem Geschäftsbericht:
"Mit der Erste Group hat die Vienna Insurance Group einen starken Partner, der ebenfalls unabhängig und eigenständig agiert, für die gleichen Werte steht und eine ähnliche Wachstumsstrategie verfolgt. Vom langfristigen Kooperationsabkommen für Österreich und CEE, welches 2008 abgeschlossen wurde, profitieren beide Unternehmen gleichermaßen: Versicherungsprodukte der VIG werden über die Erste Group vertrieben, im Gegenzug bieten die Konzerngesellschaften der VIG Bankprodukte der Erste Group an."
Ich für meinen Teil fühle mich wohl damit, VIG-Aktien zu halten, solange diese Underwriting Profits erwirtschaftet. Das KBV ist im Moment bei knapp über 1 (Buchwert/Aktie in etwa EUR 31,50) - ich denke das Unternehmen ist mehr wert.
Noch eine Anmerkung: In der Versicherungsbranche wird gerne mit der Schaden-Kosten-Quote hantiert. Diese ist zwar verständlich, dennoch verwende ich lieber die Buffett-Methode. Erstens, weil die Schaden-Kosten-Quote von jeder Versicherung (und auch von jedem Analysten) unterschiedlich berechnet wird, zweitens, weil man sofort eine ungefähre Ahnung davon hat, was die Kosten für den Float sind.
Kommentare sind willkommen.
Noch eine Anmerkung: In der Versicherungsbranche wird gerne mit der Schaden-Kosten-Quote hantiert. Diese ist zwar verständlich, dennoch verwende ich lieber die Buffett-Methode. Erstens, weil die Schaden-Kosten-Quote von jeder Versicherung (und auch von jedem Analysten) unterschiedlich berechnet wird, zweitens, weil man sofort eine ungefähre Ahnung davon hat, was die Kosten für den Float sind.
Kommentare sind willkommen.
Guter Artikel. Was mich an Versicherern jedoch immer stört ist,
AntwortenLöschen1. Dass die Eigenkapitalrenditen meistens nur recht niedrig sind, da Versicherungen Massengüter sind, wo fast nur der Preis für die Kaufentscheidung herangezogen wird. Keine Versicherung hat jedoch einen dauerhaften Kostenvorteil ggü. den anderen Unternehmen, d.h. die Renditen sinken auf ein bescheidenes Maß.
Außnahme stellt hier sicherlich Progressive u. Geico in den USA dar, die Ihre Policen direkt vertreiben. Andererseits werden Versicherungen wohl auch in der Zukunft benötigt. Das Risiko der Substitution ist daher gering.
2. Es gibt kaum eine Versicherung, wo der "Float" richtig gut investiert wird. Daher bleiben die Kapitalanlageergebnisse bescheiden. Außnahme: Berkshire Hathaway u. Markel.
3. Die Passivseite der Bilanz ist sehr schwer einzuschätzen. Werden die Rückstellungen konservativ angesetzt? Woran merkt man, dass im Unternehmen die Zeichnungsdisziplin nachlässt?
4. Auf der Aktivseite lauern Risiken bzgl. der erworbenen Wertpapiere. Der Wert des Portfolios ist oft nur schwer zu beurteilen.
5. Die Bilanzen sind im allgemeinen schwerer zu verstehen, als bei "normalen" Unternehmen. Da dem Bilanzrisiko bei Versicherungen eine hohe Bedeutung zukommt, ist das ein kritischer Punkt.
Wie denkt ihr darüber?
Hallo Thilo, danke für deinen Post.
Löschen1. Volle Zustimmung
2. Markel kenne ich nicht. Sonst würde mir evtl. noch Fairfax einfallen (mit Prem Watsa als CEO).
3. Eine befriedigende Antwort darauf suche ich ebenfalls noch.
4. & 5. Vor allem wenn wie im Moment viele Anleihen im Portfolio sind, die relativ teuer sind (bzw. die Rendite niedrig)
Alles in allem hast du sicher recht, das sind die Hauptprobleme bei Versicherern.