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21. Juni 2017

Links

Ich habe momentan kaum Zeit etwas zu Schreiben und, außerdem, momentan ehrlich gesagt nicht allzu viele Investment-Ideen. Was ich habe sind ein paar (wie ich glaube) ganz interessante Links:
  • Amazon‘s New Customer: Der Whole Foods Deal soll endlich den Erfolg im Lebensmittel-Geschäft bringen. Gedanken von Ben Thompson via stratechery
  • Google und Facebook beanspruchen praktisch das ganze Wachstum im US-Werbegeschäft für sich: FT Alphaville
  • Eine Übersicht über die Bezahl-Industrie von Value Seeker
  • Ein Interview von Mark Gottlieb mit Bruce Berkowitz via Seeking Alpha
  • The day of the conventional diesel bus is dead. Go-Ahead stellt auf elektrisch um, mit Konsequenzen für die Strom-Netzeft.com
  • Insurance: Robots learn the business of covering risk: ft.com
  • Scripp Networks (Discovery-Konkurrent): Flip or Flop? Interessanter Artikel auf scuttle blurb
  • Brown & Brown: Compounder in a fragmented Sector: nochmal scuttle blurb

Viel Spaß damit.
Tom

9. März 2017

Update – Admiral Group


Admiral hat die Ergebnisse für das Jahr 2016 veröffentlicht (hier findet sich ein Transkript der dazugehörigen Analysten-Konferenz, die Folien dazu finden sich unter dem ersten Link). Da Admiral im deutschsprachigen Raum von beinahe niemandem verfolgt wird, und die Ergebnisse auf den ersten Blick enttäuschen, habe ich mich kurzerhand dazu entschlossen, diese hier kurz zu behandeln. Vor allem, weil der 2016er Gewinn deutlich niedriger ausfiel, als der 2015er Gewinn.

Der Grund, warum der Gewinn um so viel niedriger ausfiel und die Präsentation der Ergebnisse um eine Woche verschoben wurde, ist eine Änderung in der sogenannten Ogden discount rate, eine regulatorische Sache.

Die Ogden rate wird, vereinfacht ausgedrückt, in der Formel verwendet, mit der die Summe berechnet wird, die Opfern mit körperlichen Verletzungen nach einem Unfall zusteht. Die Ogden rate wurde von 2,5% auf -0,75% heruntergesetzt. D.h., dass die englischen Versicherer den Unfallopfern mehr zahlen müssen, was aber in den Prämien der aktuellen Verträge nicht berücksichtigt ist. Die anzunehmenden Auszahlungen für Schadensfälle sind höher zu bewerten, und werden auch zu höheren Auszahlungen führen, als das momentan in den Bilanzen der Versicherungen abgebildet ist.

Admiral schätzt den Gesamtschaden für sich selbst aus dieser Situation auf ca. GBP 330 Mio., wobei ein Teil davon (etwas über GBP 100 Mio.) nachträglich ins letzte Jahr gebucht wurde (deswegen die Verschiebung der Ergebnis-Präsentation), der Rest wird über die nächsten Jahre durch geringere Rückstellungs-Auflösungen und geringere Profit-Commissions ins Ergebnis fließen.

Die Sache betrifft alle englischen Versicherer und ist nichts Admiral-spezifisches. Einige Vertreter der Branche bezeichneten die Entscheidung gar als „crazy“ – die durchschnittliche jährliche Erhöhung der KfZ-Versicherungsprämie für Endkunden wird auf bis zu GBP 100 geschätzt. Eine klassische loose-loose-Situation, außer wenn man zufällig gerade einen Auto-Unfall hat.

Admiral hat inzwischen reagiert und die Preise für die eigenen Produkte angehoben um diese erhöhten Kosten zu berücksichtigen. Andere Versicherer waren nicht so schnell und haben die Preise noch nicht angehoben, weshalb Admiral laut Aussagen aus obig verlinktem Transkript in den ersten Wochen des 2017er-Jahres langsamer wächst als in 2016 (Kundenanzahl). Da der britische KfZ-Versicherungsmarkt allerdings mit einer Combined Ratio von über 100% operiert, und dieser Ogden-Vorfall die Markt-Combined Ratio nach Admiral-Schätzung voraussichtlich auf bis zu 119% hinaufdrücken kann (falls die Preise nicht erhöht werden), sind früher oder später auch Preiserhöhungen der Konkurrenz zu erwarten, zumindest wenn sie rational agieren.

Falls die Ogden-Rate mal wieder hinaufgesetzt werden sollte, würde ein umgekehrter Effekt (Gewinn) eintreten: Admiral schätzt eine Änderung auf 0% würde einen Gewinn von nicht ganz GBP 70 Mio. bedeuten, eine weitere Senkung würde natürlich einen erneuten Verlust bedeuten.

Meines Wissens liegt die Entscheidung über die Festsetzung der Ogden discount rate zwar beim Staat, muss sich dabei aber an der Verzinsung von englischen Staatsanleihen orientieren.

Ansonsten waren die Ergebnisse sehr gut, aber das könnt ihr euch anhand der Links im ersten Absatz auch selber zusammenreimen. Für mich am wichtigsten: die langfristig starke Wettbewerbssituation von Admiral wird dadurch nicht beeinträchtigt, auch wenn der kurzfristige Schaden mehr als ärgerlich ist.

Ich bleibe weiterhin investiert.

27. Mai 2014

Admiral Group – ein Blick in die Business Fundamentals

Das Ende des letzten Posts:

„Admiral (Ursprünglicher Artikel)
 Ich werde in Kürze einen weiteren Artikel zur Admiral Group (bzw. allgemein zu Versicherungen) posten, über die ich hier kurz geschrieben habe und die über das wikifolio leider nicht investierbar ist. Ich wurde gefragt, ob die Bewertung für eine Versicherung nicht etwas hoch ist, z.B. nach KGV (momentan ca. 13) oder nach KBV (momentan über 7). Und nach diesen Kennzahlen ist die Bewertung hoch, sehr hoch sogar - zumindest, wenn es eine normale Versicherung wäre. Ich möchte das demnächst etwas genauer ausführen.“

Nachdem ich in einigen kürzeren Gesprächen daran gescheitert bin, meine Gedanken zu diesem Unternehmen „rüberzubringen“, möchte in diesem Post erst etwas ausholen, und das Geschäftsumfeld für (Schaden/Unfall-) Versicherungen allgemein beschreiben, bevor ich auf die Admiral Group eingehe und darlege warum ich glaube, dass diese nicht überbewertet ist, selbst bei einem KGV von 13 oder einem KBV von 7. Das wird zwar etwas länger dauern, hilft aber hoffentlich beim Sortieren meiner Gedanken.

Einkommen von, und Wettbewerb zwischen Versicherungen

Versicherungen gibt es viele, und der Konkurrenzkampf ist groß. Ein Grund dafür ist die prinzipielle Vorteilhaftigkeit eines Versicherungsgeschäftes im Vergleich zu den meisten anderen Produkten, die man verkaufen kann. Um eine Versicherungspolizze abzuschließen braucht der Verkäufer kein Vorratslager aufzubauen. Er braucht auch kaum Sachanlagen. Stattdessen bekommt er nach Abschluss der Polizze erst einmal Geld in die Hand gedrückt: die Prämie, die im Normallfall in periodischen Abständen überwiesen wird. Dafür gibt er dem Kunden das Versprechen, im Falle eines möglichen zukünftigen Schadenfalles diesen Schaden teilweise oder ganz zu ersetzen.

Die Schäden, die aus allen abgeschlossenen Polizzen entstehen, sollten aus den eingenommenen Prämien bezahlt werden können, zusätzlich sollte ein kleiner Gewinn für die Versicherung überbleiben: der Underwriting Profit (das habe ich hier schon einmal zu erklären versucht). Hier wird schon klar, dass die Höhe der Prämie, die für eine Polizze anfällt, sehr entscheidend ist. Je höher diese ist, umso wahrscheinlicher ist es, dass zukünftige Schadensfälle und Kosten für den Versicherungsbetrieb abgedeckt werden können.

Zusätzlich gibt es die Möglichkeit, das Geld, das die Versicherung in der Zeit bis zum Schadensfall (bzw. bis zum Auszahlungszeitpunkt) hält, zum eigenen Vorteil an den Finanzmärkten (oder sonst wo) zu investieren. Das so entstandene Finanzeinkommen (großteils Zinsen aus risikoarmen Anleihen) wandert direkt in die Tasche des Versicherers und ist theoretisch ein zusätzliches Einkommen zum Underwriting Profit.

Theoretisch. Praktisch ist es oft so, dass der Konkurrenzkampf und das große Angebot an verkaufswütigen Versicherungsmaklern die Preise so weit drückt, dass das Finanzeinkommen in die Berechnung der Prämien inkludiert und ein Underwriting Loss in Kauf genommen werden muss. Versicherungen, die so kalkulieren, haben also von vornherein nicht vor, Underwriting Profits zu erwirtschaften und sind somit abhängig von den Zinseinnahmen, die sie aus ihren Finanzanlagen generieren. Gerade im momentanen Niedrig-Zins-Umfeld ist das ein Problem für viele solcher Versicherungen.

Ein kleiner Exkurs: die Combined Ratio

Wer sich mit Versicherungen beschäftigt wird um den Ausdruck Combined Ratio nicht herumkommen, weswegen ich das hier kurz erklären möchte. Um eine aussagekräftige Kennzahl für das Grundgeschäft zu benutzen, greifen Analysten und Versicherungen gerne auf die Combined Ratio zurück. Diese setzt sich aus

a) der Schadenquote (Loss oder Claims Ratio, Entstandene Schäden/Prämieneinnahmen), und
b) der Kostenquote (Cost  oder Expense Ratio, Kosten/Prämieneinnahmen) zusammen.

Das Ergebnis aus a) kann als ein Indikator für das Risikobewusstsein im Versicherungsgeschäft angesehen werden. Das Ergebnis aus b) kann als ein Indikator für die operative Effizienz im Versicherungsgeschäft angesehen werden. Die Summe aus a) und b) ergibt die Schaden/Kosten-Quote (Combined Ratio), die die Profitabilität im Versicherungsgeschäft (ohne Finanzeinkommen) misst.

Einfache Interpretation: kleiner 100% bedeutet, dass das Grundgschäft profitabel ist, größer 100% bedeutet, dass man das Finanzeinkommen braucht, um den Break-Even-Punkt zu erreichen. Wenig überraschend liegt die Combined Ratio für viele Versicherungen oft über 100%. Die Combined Ratio wird jedoch oft unterschiedlich berechnet - verschiedene Versicherungen, verschiedene Analysten, verschiedene Methoden - verschiedene Ergebnisse. Deshalb fokussiere ich mich meist auf die oben angeführte und relativ einfache Art der Berechnung des Underwriting Profits, die ich mir aus den Geschäftsberichten von Berkshire Hathaway abgeschaut habe.

Exkurs Ende

Ein Vergleich zweier österreichischer Versicherungen mit Aktivitäten in Mittel- und Osteuropa - das Lebensversicherungsgeschäft jeweils rausgerechnet, da dieses seine eigenen Charakteristika hat.


Quellen: Geschäftsberichte der beiden Konzerne: Uniqa, VIG

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Blau: Underwriting Profit/Loss im Schaden/Unfall-Geschäft
Rot: Underwriting Profit/Loss im Kranken-Geschäft
Grün: Summierte Einnahmen aus Finanzanlagen aus diesen beiden Geschäftsbereichen
Lila: Summe, bzw. Vorsteuerergebnis aus diesen beiden Geschäftsbereichen

Ich denke, man sieht den Unterschied deutlich. Während das Finanzeinkommen für die VIG ein zusätzliches Einkommen zum Underwriting Profit darstellt, ist es für die Uniqa überlebensnotwendig. Teilweise mag das daher kommen, dass die VIG höhere Qualitätskriterien an ihre Vertriebskanäle stellt und/oder kostenoptimierter wirtschaftet, ein großer Teil kommt aber sicher daher, dass die VIG verhältnismäßig stärker in Osteuropa engagiert ist, wo die Versicherungsdichte noch nicht so groß, und der Preiskampf daher nicht so extrem ausfällt wie in den westeuropäischen Ländern. Die VIG profitiert also wahrscheinlich von einem längerfristigen makroökonomischen Trend. Eine Analyse der Loss und Cost Ratios könnte tieferen Einblick geben, ich erspare mir das allerdings, da dies hier zu weit führen würde. (Die Uniqa will jetzt übrigens nachziehen und sich ebenfalls stärker in Osteuropa engagieren, da man davon ausgehen kann, dass das Versicherungsgeschäft dort noch ein paar weitere Jahrzehnte stark wachsen wird. Hohe Renditen ziehen Konkurrenz an wie Licht die Moskitos an einem angenehmen Sommerabend.)

Finanzierung

Wie sieht die Bilanz eines Unternehmens aus, das erst einmal Prämien einnimmt um daraus spätere Schadensfälle zu bezahlen? Exemplarisch nehme ich hier die Bilanz der VIG (2013) her (diesmal habe ich das Lebensversicherungsgeschäft nicht rausgerechnet – die Verhältnisse würden sich dadurch nicht dramatisch ändern, außerdem müsste ich einiges schätzen). In Mio. EUR:

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Auf der Passivseite haben wir zunächst natürlich das Eigenkapital. Ähnlich wie bei Banken gibt es hier regulatorische Mindestlevel, die nicht unterschritten werden dürfen. Eine verantwortungsvolle Führung hält sich einen Puffer über diesem Level. Neben den versicherungstechnischen Rückstellungen, die im Prinzip diskontierte Schätzwerte für das, was in Zukunft an Schadensfällen an die Kunden bezahlt werden muss, darstellen, gibt es noch einige sonstige Verbindlichkeiten. Das Gegenstück zu den versicherungstechnischen Rückstellungen auf der Passivseite sind die Investments auf der Aktivseite. Wie schon erwähnt: die Versicherung bekommt ja erst einmal Geld in die Hand gedrückt, das sie zum eigenen Vorteil investieren kann. Ein gewisser Teil muss natürlich in Sach- und sonstiges Anlagevermögen gesteckt werden, dieser Posten ist allerdings relativ klein. Es gibt auch hier aufsichtsrechtliche Vorschriften, welcher Teil in Cash oder in sehr kurzer Zeit liquidierbaren Papieren investiert werden muss.

Um die Attraktivität des Versicherungsgeschäfts noch einmal zu unterstreichen: die versicherungstechnischen Rückstellungen sind ganz klar Fremdkapital, aber es entsteht keine Zinslast daraus (zumindest wenn man das Lebensversicherungsgeschäft weglässt, wo meist eine Mindestverzinsung garantiert wird).

Theoretisch. Ökonomisch betrachtet (und dies ist wieder die brillante Sichtweise von Warren Buffett), muss man sehr wohl einen Preis dafür bezahlen, um dieses Geschäft zu betreiben: Underwriting Losses, die für den Großteil der Versicherungen Realität sind. Diese stellen die Kosten für die versicherungstechnischen Rückstellungen dar. Das schöne an guten Versicherungen ist, dass sie diese Kosten auf Null bekommen, wenn sie Underwriting Profits erwirtschaften. Man könnte auch von negativen Kosten sprechen - man wird also dafür bezahlt, Geld zu halten, das man zum eigenen Vorteil investieren kann. Mit entsprechenden Auswirkungen auf die so konstruierbare Nettozinsmarge.

Zwischen-Resümee

Unter diesen Voraussetzungen wirtschaften die meisten Versicherungen vor sich hin und erreichen eine Eigenkapitalrendite irgendwo zwischen 5 und 15%, je nach Leverage und wo im Prämienzyklus sie gerade stehen. In meinen Augen

  • ist für die durchschnittliche Versicherungsgesellschaft der Buchwert je Aktie ein relativ zuverlässiger Richtwert für den fairen Wert je Aktie, vorausgesetzt, die verantwortlichen Manager machen keinen Blödsinn, wie z.B. übertrieben große Risiken mit ihren Finanzanlagen einzugehen. Lehman hat einige Versicherungsgesellschaften in arge Bedrängnis gebracht, die in dieser Hinsicht etwas zu optimistisch geworden sind. Selbst solche Riesenkonzerne wie die als Hort der Stabilität geltende Swiss Re, die ein paar Jahre gebraucht hat, um wieder auf die Beine zu kommen, oder AIG, die überhaupt nur mit Hilfe der US-Regierung gerettet werden konnte.
  • kann für eine Versicherung, die mit Underwriting Losses operiert, ein Aufschlag auf den Buchwert kaum gerechtfertigt werden, es sei denn, es gibt einen guten Grund zur Annahme, dass in absehbarer Zeit Underwriting Profits erwirtschaftet werden können.
Unterschiedliche Geschäftsmodelle und Kostenstrukturen

Ein großer Brocken der Kosten sind natürlich die Ausgaben für Schadensfälle. Zusätzlich fallen aber Kosten für den Betrieb an, ebenso wie Kosten für die Akquirierung von Polizzen. Der letzte Punkt ist einer der Hauptkostenpunkte. Darunter fallen vor allem Provisionszahlungen an Versicherungsmakler, die sich als Hauptvertriebskanal für Polizzen etabliert haben. Für die Versicherer sind die Makler zwar relativ teuer, aber sie bieten auch Vorteile. Vor allem kennen sie die Menschen in ihrer Region und dieser persönliche Kontakt wird sehr geschätzt.  Für die Uniqa und die VIG machen dieses Ausgaben im Schnitt der letzten Jahre in etwa 20% der verdienten Prämien aus.

Schon vor einigen Jahrzehnten hat ein kleines Versicherungsunternehmen in den USA ein neues Geschäftsmodell eingeführt: den Direktvertrieb per Telefon. Durch den direkten Kontakt zu den Endkunden konnte diese Versicherung bei den Akquisitionskosten extrem viel einsparen, weil sie die Versicherungsmakler umging. Entsprechend konnten die Polizzen zu niedrigeren Preisen bei gleichzeitig höheren Margen angeboten werden. Anfangs bestand die Strategie darin, sich nur auf eine bestimmte Kundengruppe zu konzentrieren um sich bei dieser einen guten Ruf aufzubauen und sich einen adäquaten Ersatz für den nicht vorhandenen Kontakt vor Ort zu sichern. Diese Strategie wurde von der Konkurrenz anfangs zwar belächelt, doch heute ist das Unternehmen der größte Direkt-KFZ-Versicherer in den USA und der drittgrößte insgesamt. Es handelt sich natürlich um die zu Berkshire Hathaway gehörende GEICO (Government Employees Insurance Company).

In den letzten Jahren hat sich der Aufstieg der Direkt-Versicherer innerhalb des Versicherungssektors deutlich beschleunigt, was meiner Meinung nach vor allem darauf zurückzuführen ist, dass mehr und mehr Menschen das Internet benutzen, das den Telefonvertrieb perfekt ergänzt oder sogar ersetzt. Es sind vor allem junge Menschen, die mit dem Internet aufgewachsen sind, die deutlich weniger Hemmungen haben, eine Versicherung über das Internet abzuschließen, und so die Makler tendenziell meiden – vor allem wenn dies nun einmal einfach billiger ist. Etablierte Versicherungskonzerne können ein Lied davon singen, ebenso die Versicherungsmakler, die ihre hohen Provisionen zusehends nur noch durch außergewöhnlich guten Service rechtfertigen können.

Klar, Makler werden nicht komplett verschwinden, und auch die etablierten Versicherungsgesellschaften können Online-Verkäufe anbieten. Die Kostenstruktur ist aber auch in einem Mix-Geschäftsmodell nachteilhafter als in einem puren Direkt-Modell. Außerdem handeln sich Versicherungen mit einem Mix-Modell Ärger mit ihren Maklern ein, da ein klarer Interessenskonflikt besteht. Das pure Direkt-Modell erscheint mir insgesamt vielversprechender, zumal es maßgeschneidert scheint für eine Generation die keine Berührungsängste mit Online-Aktivitäten hat und tendenziell zu stärkerem Sparen gezwungen sein wird, als ihre Elterngeneration. Da viele dennoch nicht auf ein Auto verzichten möchten, eine KfZ-Polizze dafür jedoch gesetzlich vorgeschrieben ist, scheint es naheliegend, dass viele zu kostengünstigeren Direkt-Anbietern wechseln werden.

Die Admiral Group

Die Admiral Group zeichnet sich durch den Direktvertrieb von KfZ-Polizzen auf der britischen Insel aus. In erster Linie über das Internet. Zu diesem Zweck werden auch Preisvergleichsportale betrieben, die einen ständig steigenden Anteil an den insgesamt im Markt abgeschlossenen Verträgen aufweisen und Druck auf Makler und etablierte Versicherungen ausüben. Dies ist für Admiral zwar ein Neben- bzw. Ergänzungsgeschäft, es wird aber erfreulicherweise profitabel betrieben.

Gegründet Anfang der 1990er konnte die Admiral Group die effizienteste Direktvertriebsstruktur auf der Insel aufbauen. Ebenso wie die Kunden- zählt auch die Mitarbeiterzufriedenheit zu den wichtigsten Kernpfeilern der Unternehmenskultur. Belegt wird dies unter anderem durch wiederholt gutes Abschneiden bei Kundenzufriedenheits-Umfragen und Arbeitgeber-Bewertungen.

Kostenquoten im Vergleich:
Admiral (UK-Car-only),
UK-Gesamtmarkt (Car only) und
Konkurrent Direct Line (Gesamtkonzern, nicht nur UK):

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Zusätzlich zum bisherigen Hauptgeschäft erfolgt eine vorsichtige Expansion in den italienischen, spanischen, französischen und den US-amerikanischen Markt. Ebenso in den Markt für Haushaltsversicherungen. Diese Aktivitäten stecken noch in den Kinderschuhen, sind noch nicht profitabel (das dauert etwas im Versicherungsgeschäft), bergen aber ein ungeheuerliches Wachstumspotenzial in an und für sich gesättigten Märkten, vorausgesetzt dass auch dort solch enorme Kostenvorteile aufgebaut werden können wie im britischen KfZ-Versicherungsgeschäft. Genau genommen reichen eigentlich schon kleinere Kostenvorteile, welche durchaus im Bereich des Möglichen liegen.

Der (Mit-)Gründer und Geschäftsführer, Henry Engelhardt, ist mit einem 13,5% Anteil größter Einzelaktionär und versteht was vom Geschäft. Hoch anzurechnen ist ihm vor allem dass er eine Unternehmenskultur etabliert hat, die nicht auf Prämien- und Marktanteils-Wachstum ausgelegt ist, sondern darauf, Geschäfte zu machen, wenn dies Sinn macht. Sprich, wenn die Prämien eher hoch sind. Ironischerweise ist es genau diese Kultur, durch die Admiral auf lange Sicht Marktanteile gewinnt, obwohl in einzelnen Jahren Umsatzrückgänge hingenommen werden müssen (wie zuletzt). 

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Die niedrige Kostenstruktur wird dabei sehr geschickt genutzt. Vereinfacht ausgedrückt, kann Admiral bei steigenden Preisen relativ einfach wachsen, indem sie die eigenen Preise weniger anhebt als die Konkurrenz (2010-2011), während sie bei fallenden Preisen auf aggressives Wachstum verzichtet indem sie die eigenen Preise weniger senkt als die Konkurrenz (2012-2013). Der Vorteil in der Kostenquote wird genutzt, um die Schadenquote unter Kontrolle zu halten, was folgerichtig zu einer sehr starken, weil niedrigen, Combined Ratio führt. 

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Eine der eigentlichen Stärken der Admiral Group ist in meinen Augen genau diese Unternehmenskultur, die nur sehr schwierig zu kopieren sein dürfte, selbst wenn andere Konkurrenten (die Direct Line Group habe ich schon erwähnt, die als Direkt-Anbieter ebenfalls einen Blick wert sein könnte) in der Kostenstruktur aufholen können. Der Kampf um Marktanteile ist ein sehr beliebter bei Managern. Und trotz unvorteilhafter Bedingungen Nein zu sagen, ist etwas, was nur die wenigsten können.

Angesichts des bisher Geschriebenen denke ich, dass ein KGV von 13 nicht zu teuer ist für die Aktie. Erstens wegen der Qualität der Gewinne, die für längere Zeit anhalten dürfte, und zweitens weil international wie auch in England selbst noch viel Wachstum in KfZ- und ähnlichen Versicherungsmärkten (Stichwort Haushalt) auf die Admiral Group warten dürfte. Es kann natürlich nicht überall so gut klappen wie auf der Insel. In den USA warten beispielsweise GEICO und Progressive, für Italien, Spanien und Frankreich bin ich allerdings etwas optimistischer. Wie auch immer, für dieses Potenzial zahlt man beim aktuellen Kurs von 13,87 Pfund nichts, oder zumindest nicht viel.

Bleibt noch die Frage nach dem KBV von über 7.

Ko- und Rückversicherungs-Arrangements

Wie vorher festgehalten, ist für eine Versicherung ohne Underwriting Profits ein Kurs über Buchwert kaum rechtfertigbar. Genau genommen gibt es bei der Admiral nur Underwriting Profits, und praktisch kein Finanzeinkommen, da auf Finanzspekulationen in irgendwelche angeblich risikolosen Staatsanleihen verzichtet, und Überschusskapital in Form einer Dividende an die Aktionäre ausgeschüttet wird.

Des Weiteren nutzt Admiral in einem viel intensiveren Ausmaß, als ich das je bei einer anderen Versicherung gesehen hätte, Ko- und Rückversicherungs-Arrangements, die Kapital freisetzen. Dadurch reduzieren sich ausgewiesene Umsätze (Nettoprämien), Bilanzsumme und Eigenkapital im Verhältnis zum zugrundeliegenden Geschäft (ersteres weil Prämien nicht durch die eigene GuV laufen, die beiden letzteren vor allem durch die Ko-Versicherung und hohe Dividenden).

Folgende Graphik fasst die Partner zusammen. Der zweitgrößte Aktionär Munich Re ist für die Ko-Versicherung verantwortlich, die anderen für die Rückversicherung.

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Rückversicherungs-Arrangements sind Standard im Versicherungswesen und sicher jedem aufgefallen, der schon einmal einen Blick in die Bilanz oder GuV eines Versicherungskonzerns geworfen hat. Die Ko-Versicherung ist etwas exotischer. Die 40%-Quote besagt nichts anderes, als dass Munich Re 40% aller von Admiral abgeschlossenen Versicherungsverträge übernimmt.

Also 40% der Prämieneinnahmen, 40% der Schadensfälle, 40% der versicherungstechnischen Rückstellungen. Kurz, 40% des Geschäfts, aber auch des Risikos werden ausgelagert. In etwa um 40% wird auch die Bilanz geschmälert, was ein gutes Stück der hohen ROAs erklärt, die mir im letzten Post zur Admiral Group aufgefallen sind.

Dafür bekommt Admiral von der Munich Re eine Gewinnbeteiligung (in der GuV unter Profit Commission ausgewiesen), für den Fall, dass die ausgelagerten Polizzen gewisse Profitabilitätsziele erreichen (die Bedingungen sind in den Investor Relations nachschlagbar, beispielsweise in der Präsentation zum Geschäftsjahr 2013, Folie 46). Bis jetzt wurde immer eine Gewinnbeteiligung überwiesen (wie schon weiter oben erklärt, schließt Admiral meist Polizzen ab, die mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Underwriting Profit generieren).

Das bedeutet, dass Admiral für 40% des Geschäfts kein Kapital halten muss, was auch der Grund dafür ist, dass sie beinahe den gesamten Gewinn als Dividende ausschütten kann, ohne aufsichtsrechtliche Probleme zu bekommen. Diese Ausschüttungen verringern auch das Eigenkapital, was das optisch hohe KBV von 7 doch stark relativiert.

Um noch zwei Fragen zu beantworten, die sich sofort stellen, wenn diese Arrangements auslaufen/nicht verlängert werden würden:

  • Ja, die Höhe der Dividende wäre natürlich sofort gefährdet, da nicht mehr der ganze Gewinn als Dividende ausbezahlt werden könnte (wodurch Bilanzsumme und Eigenkapital steigen, und das KBV kleiner werden würde) und
  • Nein, die Höhe der Gewinne würde dadurch wahrscheinlich kaum beeinflusst, was wichtiger ist/wäre.
Noch ein paar Gedanken zum technologischen Fortschritt

Dieser beeinflusst das Geschäft der Admiral jetzt schon. Beispielsweise bietet Progressive seinen Kunden auf freiwilliger Basis an, ein Gerät in die Autos zu installieren das das Fahrverhalten aufzeichnet. Kurz: fährt der Kunde vorsichtig, bekommt er einen Teil der Prämie zurück (oder Verbilligung beim Verlängern? – Ich weiß nicht mehr genau).

Es gibt auch allerlei sonstiger Fahrhilfen, die aus den Werbespots einiger Autobauer oder aus eigener Erfahrung bekannt sein dürften. Sollten diese tatsächlich Unfälle zu Vermeiden helfen, wäre das dennoch kein Grund keine KfZ-Versicherung abschließen zu müssen. Die Prämieneinnahmen pro Polizze würden zwar wahrscheinlich sinken… so denken umsatzorientierte Menschen eben immer… die Zahlungen für Schadensfälle würden allerdings ebenfalls zurückgehen. Es kommt meinem Verständnis nach mehr auf die Bruttomarge als auf den Umsatz an.

Um auf diese Progressive-Short-These aus dem ersten Post nochmal einzugehen: dasselbe gilt in meinen Augen, und aus heutiger Sicht, auch für komplett selbst fahrende Autos, deren Realisierung für den Massenmarkt noch etwas weiter in der Zukunft liegt. Außerdem bin ich nicht überzeugt, dass diese das personengesteuerte Fahrzeug komplett verdrängen könnten, selbst wenn das angesichts der Fahrkünste einiger Verkehrsteilnehmer wünschenswert wäre. Die meisten Autobesitzer, die ich kenne, fahren viel zu gerne selbst Auto, als dass sie das einem Computer überlassen würden.

Zusammenfassung

Long Admiral Group

12. September 2012

Vienna Insurance Group

Nachdem ich zwei Portoflios auf wikifolio.com habe, beginnen wir zuerst mit einem Kommentar zu einem Unternehmen, das in beiden Portfolios vertreten ist:

Vienna Insurance Group (VIG, AT0000908504). Hier geht es zum Konzernprofil: http://www.vig.com/de/vig/konzern/profil.html.

Prinzipiell versuche ich Versicherungsgeschäfte so zu analysieren wie Warren Buffett. Denjenigen die sich dafür interessieren, empfehle ich seine Geschäftsberichte zu lesen, abrufbar hier: 

Kurz gesagt: es geht um ‚Underwriting Profits‘. Warum? Wie bei jedem Finanzunternehmen, ist die wichtigste Komponente die Differenz zwischen den Kapitalkosten für Fremdkapital und der Anlagerendite die auf die Finanzanlagen verdient wird. Wobei niedrige FK-Kosten hohen Anlagerenditen vorgezogen werden, da letzteres meist mit erhöhtem Risiko einhergeht.

Versicherungen haben zwei große Einnahmequellen: Versicherungsprämien und Einnahmen aus Finanzanlagen. Davon werden Versicherungsleistungen und operative Kosten abgezogen, und wir landen beim Vorsteuerergebnis (EBT).

Die Aktivseite der Bilanz besteht zum Großteil aus Finanzanlagen, die eine Rendite erzielen, während die Passivseite zum größten Teil aus versicherungstechnischen Rückstellungen besteht. Diese sind keine zinstragenden Verbindlichkeiten, dennoch werden Fremdkapitalkosten dafür fällig (und sie sind eine Annäherung an das was Buffett ‚Float‘ nennt).

Was genau sind diese Kosten? Laut Buffett nichts anderes als der Underwriting Profit. Er untereilt das Vorsteuerergebnis in den Anteil, der aus Finanzanlagen kommt, und den Anteil, der aus dem Versicherungsgeschäft (eben ohne das Finanzanlageergebnis) entsteht. Das letztere ist der Underwriting Profit, welcher bei einem Großteil der Versicherungen negativ (also ein Verlust) ist. Umso höher dieser Verlust ausfällt, umso höher sind die Kosten für den Float (das Fremdkapital). Sinkt die erreichte Rendite aus Finanzanlagen auf die Höhe des Underwriting Profit (der Floatkosten), bleibt ein Gewinn von Null über. Das ist besonders in einem Niedrigzinsumfeld wie heute leicht vorstellbar. Umso wichtiger ist der Underwriting Profit, der in erster Linie durch konservatives Schreiben von neuen Versicherungen positiv beeinflusst wird - sprich, dass die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass die anfallenden Versicherungsleistungen und operativen Kosten durch die laufenden Prämieneinnahmen gedeckt werden können.

Einfaches Rechenbeispiel:

1
Prämieneinnahmen
1000
2
Finanzergebnis
200
3
Schadensfälle
-900
4
operative Kosten
-170
5
EBT
130

Underwriting Profit
(5-2) oder (1+3+4)
-70


Was der Wahnsinn an der Sache ist: Bei einem positiven Underwriting Profit  entstehen negative Floatkosten. Die Versicherung wird dafür bezahlt, Fremdkapital zu halten. 
(Das ist wie wenn wir EUR 100 ausleihen, dafür Geld bekommen, und zu, sagen wir, 3% relativ risikoarm investieren können - Leverage.)
Dies ist eines der größten Geheimnisse von Warren Buffett. Sieht man sich die Bilanzen (bzw. GuV’s) von Berkshire Hathaway an, stellt man fest, dass das Unternehmen in den letzten 9 (!) Jahren durchwegs weniger als Null Prozent für den Float bezahlt hat, da der Underwriting Profit immer positiv war.

Der Haken an der Sache: es kommt nur selten vor, dass man Versicherungen findet, die das erreichen. 

Schauen wir uns nun die Vienna Insurance Group an. Wir konzentrieren uns auf die Bereiche Schaden/Unfall und Krankenversicherung, da der Bereich Lebensversicherung etwas anders funktioniert (das ist allerdings der anteilsmäßig größte Konzernbereich). Die Rohdaten (EBT und Anlagergebnis) stammen aus den Konzernberichten (Segmentberichterstattung), die anderen Werte sind von mir berechnet.

Alle Zahlen in Mio. EUR (außer Prozentzahlen natürlich):
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Wir haben hier also ein Unternehmen vor uns, das, zumindest in den Bereichen Schaden/Unfall und Kranken, Underwriting Profits erwirtschaftet. Sprich Fremdkapital für 0% Zinsen bekommt (oder weniger, wenn man so will).

Zum Bereich Leben werde ich vielleicht irgendwann auch einen Kommentar abgeben, derweil kann ich nur sagen, dass ich darin zumindest kein allzu großes Risiko sehe.

Die VIG ist in Osteuropa aktiv (etwa die Hälfte des Geschäfts, die andere Hälfte findet in Österreich statt), und die Frage ist, ob wir dort investieren wollen. Die VIG selbst sieht ausreichend Wachstumspotential. Aus dem Geschäftsbericht:

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Marktposition nach Ländern:

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Ausserdem betreibt die VIG eine strategische Partnerschaft mit der Erste Group Bank, die ebenfalls in Österreich und CEE aktiv ist. Wieder aus dem Geschäftsbericht:

"Mit der Erste Group hat die Vienna Insurance Group einen starken Partner, der ebenfalls unabhängig und eigenständig agiert, für die gleichen Werte steht und eine ähnliche Wachstumsstrategie verfolgt. Vom langfristigen Kooperationsabkommen für Österreich und CEE, welches 2008 abgeschlossen wurde, profitieren beide Unternehmen gleichermaßen: Versicherungsprodukte der VIG werden über die Erste Group vertrieben, im Gegenzug bieten die Konzerngesellschaften der VIG Bankprodukte der Erste Group an."
Ich für meinen Teil fühle mich wohl damit, VIG-Aktien zu halten, solange diese Underwriting Profits erwirtschaftet. Das KBV ist im Moment bei knapp über 1 (Buchwert/Aktie in etwa EUR 31,50) - ich denke das Unternehmen ist mehr wert.

Noch eine Anmerkung: In der Versicherungsbranche wird gerne mit der Schaden-Kosten-Quote hantiert. Diese ist zwar verständlich, dennoch verwende ich lieber die Buffett-Methode. Erstens, weil die Schaden-Kosten-Quote von jeder Versicherung (und auch von jedem Analysten) unterschiedlich berechnet wird, zweitens, weil man sofort eine ungefähre Ahnung davon hat, was die Kosten für den Float sind.

Kommentare sind willkommen.