Ich habe in die (Savings-) Aktien von Telecom
Italia (TIM) investiert. Dieser Post enthält einige Zahlen, Berechnungen und
Annahmen. Für evtl. Rechenfehler oder sonstige Irrtümer übernehme ich keine
Verantwortung. Wer an einem Investment in eine der auf diesem Blog behandelten
Aktien interessiert ist, soll sich selbst informieren. Das hier geschriebene soll nicht als Empfehlung zum Kauf oder Verkauf
irgendwelcher Wertpapiere verstanden werden.
Der Telekom-Sektor
Dieser erste Teil gilt, gedanklich leicht
angepasst, auch für mein Liberty Latin America Investment (der Split-off ist inzwischen übrigens
durchgeführt).
Die
Telekom-Aktien Europas haben in den letzten 2 Jahrzehnten nicht gerade eine
Wahnsinns-Performance hingelegt, auch wenn ich den Crash ab 2000 außer Acht lassen.
Das ist nicht
weiter verwunderlich. Die Branche ist extrem kapitalintensiv und einem
ständigen technologischen Wandel unterworfen, was dazu führt, dass Anlagen (in
diesem Fall hauptsächlich Kabel- und Mobilfunknetze), die nicht auf dem letzten
Stand gehalten werden innerhalb weniger Jahre stark an Wert verlieren. Dazu
kommt, dass der europäische Telekom-Markt relativ gesättigt ist und Wachstum
ein Fremdwort zu sein scheint. Der typische Anleger möchte von seiner
Telekom-Aktie hauptsächlich eines: eine stabile Dividende. Da gutes Management-Personal relativ rar
ist, haben in den letzten Jahren einige Unternehmen einiges verschlafen und die
von ihnen geforderten Dividenden aus der Substanz bezahlt.
Das
Zusammenlegen von mobilen und fixen Netzwerken hat einige Vorteile. Nicht nur
für Kunden, sondern auch für die Telekom-Unternehmen.
- Die
offensichtlichen sind die Kosteneinsparungen im Support- und Administrations-Bereich,
da Call-Center zusammengelegt werden können ebenso wie Marketing-Budgets etc.
- Es können
mehrere Kommunikations-Dienstleistungen aus einer Hand Angeboten werden, d.h.
in Summe günstigere Bündel-Angebote sind möglich, beispielsweise ein Quadruple-Play-Kunde
mit Internet-, TV-, Telefon- und Mobilvertrag vom selben Anbieter. Das
funktioniert, weil der Telekomkonzern diese vier Dienste an nur einen Kunden mit
niedrigeren Kosten verkaufen kann, als wenn er diese vier Dienste einzeln an
vier verschiedene Kunden verkauft.
- Ein großer
Teil des Daten-Konsums erfolgt zu Hause. Surft man zu Hause über das W-Lan
(Kabel) anstatt über die mobile Infrastruktur ist das, erstens, für den Kunden
schneller und, zweitens, entlastet es das Mobilfunk-Netzwerk (Kabel ist
distributionstechnisch um einiges effizienter als Mobil).
- Die
Kundentreue ist im Bündel wesentlich höher als bei Einzel-Verträgen.
Entsprechend lassen sich bei Multi-Play-Kunden wesentlich niedrigere Churn-Quoten
beobachten, als bei Kunden mit nur einem Service.
- Weitere Anmerkungen im Kommentar-Sektor sind
durchaus erwünscht.
Gerade in
Nordamerika steht das klassische Kabelgeschäft momentan stark unter Druck, weil
viele Kabelbetreiber über ihre Netze auch TV vertreiben. Oft mit sehr großen
Beiträgen zum Gesamtumsatz. Dieses spezielle Geschäft wird langsam aber sicher
von OTT-Dienstleistungen wie Netflix verdrängt. Doch einige Unternehmen
reagieren darauf bereits relativ erfolgreich mit verbesserten, aber teureren
Dienstleistungen im Breitbandbereich, da schnelle Netzwerkanschlüsse eine
Voraussetzung dafür sind, OTT-Player (bzw. Internet-Dienste allgemein)
überhaupt sinnvoll empfangen zu können. Beispiele dafür bieten beispielsweise
Charter Communications und
Cable One. Prinzipiell
denke ich, dass sich dieses Phänomen weltweit so durchsetzen könnte, zumal das
TV-Geschäft für die Kabelbetreiber sowieso eher eines mit niedrigen Margen ist.
Jedenfalls im Verhältnis zum Breitbandgeschäft.
In Europa ist
der Druck derweil noch nicht ganz so groß wie in Nordamerika, weil Pay-TV hier nicht
annähernd so teuer ist wie eben in Nordamerika. (Italien ist unter diesem
Aspekt gesehen sowieso etwas speziell, weil Kabel-TV bisher eigentlich gar
nicht vertrieben wurde. Ob ein eigener OTT-Service oder klassisches Kabel-TV:
dieser Bereich könnte sich gar noch als
zusätzliche Wachstumsmöglichkeit für TIM herausstellen.)
Nach diesem
kurzen Überblick zum Telekom-Sektor, nun aber zu
Telecom Italia (TIM)
Unter Europas Telekom-Unternehmen
sticht TIM als besonders wenig erfolgreich heraus. Dass, bis auf die halbwegs
erfolgreiche Mobilfunktochter in Brasilien, Kapital im europäischen und
südamerikanischen Ausland vernichtet wurde (die gelben Balken im nächsten
Bildchen) war noch nicht einmal das größte Problem der letzten 10-15 Jahre. Was
die Leistung früherer Manager/Aufsichtsräte wirklich auszeichnet, ist das
komplette Verschlafen des Breitband-Zeitalters. Italien hat eines der
langsamsten Breitbandnetze Europas, das zum (aller-) größten Teil noch auf
Kupferleitungen und DSL-Standard läuft.
Umsatz und Margen
|
Der Umsatz aus Brasilien ist zwar rückläufig, aber seit 2011 trägt dazu auch
die Schwäche der brasilianischen Währung bei – das lässt die grauen Balken (in
EUR) hier stärker schrumpfen, als sie es währungsbereinigt eh schon tun würden.
|
Zum Glück für
TIM ist allerdings auch die Konkurrenz nicht all zu stark. Das mag durchaus
daran liegen, dass Italien nicht gerade das tollste Investitions-Umfeld bietet,
könnte aber auch mit den wirtschaftlichen Problemen zusammenhängen, durch die
das Land in den letzten Jahren gegangen ist (wobei das wahrscheinlich eh
zusammenhängt). Jedenfalls beherrscht TIM noch immer große Teile des Marktes,
sodass mit runderneuerter Strategie (salopp formuliert: Investition in
verbesserte Dienstleistungen, anstatt veraltete Beinahe-Monopol-Netze auszumelken)
durchaus noch Hoffnung auf eine bessere Zukunft besteht.
Vivendi/Bollore
2015 hat
Vincent Bollore, über
die von ihm kontrollierte
Vivendi,
damit begonnen TIM-Aktien zu kaufen und hält inzwischen in etwa ¼ der
Stimmrechte. Ehrlich gesagt habe ich den Mann vorher nicht wirklich gekannt,
aber nach dem was ich bisher gelesen habe, soll er so eine Art „europäischer
Carl Icahn“ sein. Derweil wirkt das Engagement auf TIM wie die Umstellung auf
eine gesündere Ernährung auf einen Kranken: keine Heilung von heute auf morgen,
aber mit der Zeit wird es immer besser. Nachhaltig. Zumindest ist das meine
Theorie, erste Erfolge sind auch beobachtbar:
TIM hat damit
begonnen - das Programm soll bis 2019 laufen – die mobile LTE-Coverage zu
erhöhen und ein Glasfasernetz über Italien zu ziehen. Mit Stand Ende September
erreicht TIM
- eine ~98%ige LTE-Coverage;
ca. ein Drittel der Mobil-Kunden sind inzwischen auf LTE umgestellt
- 17,6 Mio.
Haushalte per Glasfaserkabel (FTTx); in etwa 1,8 Mio. Anschlüsse sind aktiviert
– eine Penetration von ~10%.
Bei den
Kabelunternehmen, die ich mir bisher angesehen habe schwankt die
Breitband-Penetration zwischen 25% und 50% - je nach Ausbaugeschwindigkeit der
Netze. Zwischen der Fertigstellung der Leitung und der Aktivierung von
erreichbaren Haushalts-Anschlüssen vergeht durchaus etwas Zeit. Wenn die Italiener sich aber nicht
komplett anders verhalten als der Rest der Welt, sollte die Penetration über
die Zeit steigen. Ich sehe nicht, warum TIM über die nächsten Jahre nicht
ebenfalls eine Penetration von zumindest 30% erreichen können sollte – und der
Ausbau ist ja noch nicht abgeschlossen.
Connections
In 000 (except ARPU)
|
2017/9M
|
2016
|
2015
|
2014
|
2013
|
Fibre
|
1.770
|
997
|
672
|
-
|
-
|
ADSL/other
|
5.789
|
6.194
|
6.351
|
6.921
|
6.915
|
Retail BB access
|
7.559
|
7.191
|
7.023
|
6.921
|
6.915
|
Voice/other
|
3.578
|
4.094
|
4.719
|
5.559
|
6.295
|
Total fixed-line
|
11.137
|
11.285
|
11.742
|
12.480
|
13.210
|
Broadband ARPU
|
24,1
|
22,0
|
20,8
|
19,7
|
19,1
|
Hier ist
insbesondere anzumerken, dass für die deutlich schnellere Glasfaserverbindung
auch mehr bezahlt wird (Anstieg im BB ARPU). Ein Trend der mehr oder weniger in
der ganzen Welt zu beobachten und nun auch in Italien angekommen ist. Einige
Fibre-Kunden sind wahrscheinlich nur von ADSL gewechselt, aber wir sehen, dass
die Anzahl an Retail-Breitbandkunden insgesamt steigt, und sich dieser Anstieg
in den letzten Quartalen deutlich beschleunigt hat. Ohne Glasfaser-Upgrade
nicht möglich.
Der
durchschnittliche Monats-Umsatz je Kabelanschluss wird sich in Zukunft immer
stärker Richtung Breitband (Retail- und Geschäftskunden; dunkel- und hellblau)
bewegen, voraussichtlich hauptsächlich auf Kosten des Telefon-Anteils (gelb),
und sich meines Erachtens auch noch erhöhen:
Ein ähnliches Bild zeigt sich auch
im Mobil-Bereich mit dem LTE-Ausbau, wo die Kundenanzahl in den ersten 3
Quartalen 2017 zum ersten Mal seit 2011 (!) wieder gestiegen ist:
Das alles zusammen genommen
ergibt eine Situation, die es bei TIM schon lange nicht mehr gab: der
Kundenschwund entschleunigt sich deutlich, der durchschnittliche Umsatz je
Kunde ist dank verbesserter Dienstleistungen höher und die Umsätze, kaum noch
denkbar, steigen zart an. Die hohe Bestandskundenanzahl sollte eine solide
Basis für „einfache“ Breitband-Upgrades bieten, was in den nächsten Jahren zu
höheren Umsätzen und Gewinnen führen sollte. Momentan ist der freie Cash-Flow relativ
gering, der Grund dafür liegt allerdings hauptsächlich in den dringend
notwendigen Investitionen in die Infrastruktur. Wenn sich das
Investitionsniveau ab 2019 wieder normalisiert, sollten die freien Cash-Flows
deutlich steigen.
Brasilien
Das
Brasilien-Geschäft ist meines Erachtens eine Wild-Card. Ich tue mir schwer
damit dieses Geschäft wirklich zu beurteilen. In den letzten Jahren kämpfte man
auch hier, neben der deutlichen Abwertung der brasilianischen Währung, mit
Kundenverlusten und sinkenden ARPUs. Auch hier hat man sich einer Fokussierung
auf qualitativ hochwertigere Services verschrieben und sogar mit dem Aufbau
eines Kabelnetzes begonnen. Letzteres bietet zwar vor allem unter Beachtung der
bereits oben erwähnten fixed-mobile-convergence
durchaus Chancen, impliziert aber auch in Brasilien hohe Investitionen. Zumal
die Basis noch sehr klein und insignifikant sein dürfte (ich habe keine Zahlen
dazu gefunden).
In den ersten
Quartalen 2017 deutet sich jedenfalls auch hier ein zarter Umschwung an aber,
ähnlich wie in Italien, wird sich der längerfristige Erfolg erst noch
bestätigen müssen. Während ich die Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in
Italien allerdings als relativ hoch einschätze, kann ich das in Brasilien noch
nicht beurteilen.
Bewertung
Ich bemühe
hier nur eine simple EV/EBITDA-Bewertung bei unterschiedlichen Multiples. Die
EBITDA-Zusammensetzung im Langzeitvergleich:
Die
ausgewählte Bandbreite des EV/EBITDA-Multiples zwischen 5 und 10 in der
Bewertung ist der Bereich, wo andere europäische Telekoms gehandelt werden,
wobei TIM ganz klar am unteren Ende dieses Bereichs handelt.
2016 EBITDA:
Italien: 6,7
Mrd.
Brasilien:
1,4 Mrd.
TIM: 8,1 Mrd.
Annahmen/Anmerkungen:
- beim EBITDA ist
in 2015 ein Tiefpunkt erreicht worden
- EBITDA
entwickelt sich in Zukunft positiv/leicht steigend
- Erste Erfolge
mit der neuen Strategie lassen Annahmen 1. Und 2. meines Erachtens durchaus zu
- Ausweitung
des Multiples auf zumindest 6,5 sollte möglich sein
- Eine
Multiple-Ausweitung ans obere Ende der Bandbreite ist gar nicht notwendig um auf
eine Unterbewertung zu schließen
- Mit Auslaufen
der Investitionen in 2019/20 sollte der FCF auf ~10 Cent je Aktie steigen (~2
Mrd. insgesamt)
- Punkte 4. und
6. entsprächen einem Kurs/FCF-Verhältnis von ~10
- Net debt/EBITDA
momentan bei ~3,6
- TIM-Ziel
2018: Net Debt/EBITDA < 2,7 (steigendes EBITDA, Verkauf nicht-strategischer
Assets; hier wird es noch näherer Erläuterungen bedürfen, wie das so schnell
geschafft werden soll)
- Kapitalallokation
durch Bollore/Vivendi vorgegeben, bzw. ist die Marschrichtung momentan sowieso
klar (Investitionen ins Grundgeschäft); d.h. die Geschäftsführung sollte fürs Erste
nicht viel falsch machen können
- Größtes
Fragezeichen für mich bleibt das Brasilien-Geschäft
- Der Kurs der Stammaktie liegt momentan bei ~EUR 0,74 (Savings shares ~0,62)
Savings Shares
Ich habe
nicht in die Stammaktie investiert, sondern in die Savings Shares. Im Prinzip,
und auf österreichische oder deutsche Verhältnisse umgelegt, handelt es sich
dabei um Vorzugsaktien die zwar nicht mit einem Stimmrecht verknüpft sind,
dafür aber eine höhere Dividende erhalten (bzw. erhalten sie momentan eine
Dividende, die Stammaktien nicht. Rendite aktuell ~4,5%). Der Abschlag zur
Stammaktie beträgt meist um die 15%.
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