6. Oktober 2015

Stahlhandel - Versuch #2: Reliance Steel & Aluminium Co.

Ich nehme meine Idee zur Klöckner & Co hiermit mehr oder weniger zurück. Diese Idee beruhte im Wesentlichen darauf, dass Klöckner mit Hilfe der Digitalisierung des Geschäftsmodells zu einem besseren Unternehmen werden könnte (und momentan deutlich unter Buchwert zu haben ist). Für möglich halte ich das zwar immer noch, aber die Wahrscheinlichkeit kann ich überhaupt nicht abschätzen. Inzwischen bin ich zu ein paar Einsichten gelangt, die den Erfolg dieses Wandels sogar kräftig in Frage stellen. Aus meinem Klöckner Post: 
Reliance und Ryerson sind unabhängig und betreiben auch ein ähnliches Geschäftsmodell wie Klöckner. Reliance ist offenbar der einzige von den drei unabhängigen, der halbwegs gut durch das aktuell schwierige Geschäftsklima steuert. Allerdings konnte ich noch nicht herausfinden, an was das genau liegt, wo die einen möglichen Wettbewerbsvorteil haben – die Digitalisierung scheint es nicht zu sein.

Im letzten Update habe ich dann geschrieben, dass ich nicht so viel Zeit mit Klöckner hätte verschwenden sollen. Inzwischen sehe ich das etwas anders, da ich, wenn ich mich nicht mit Klöckner beschäftigt hätte, nie auf Reliance gestoßen wäre.

Quelle: Geschäftsberichte
Reliance ist zwar hauptsächlich in Nordamerika tätig, aber das ist nicht der Grund für diese klar überlegene Performance, denn die Klöckner Margen in Amerika unterscheiden sich nicht wesentlich von den Konzernmargen, die oben abgebildet sind. Außerdem, und das ist bemerkenswert, liegen die Margen von Reliance seit ihrem eigenen Börsengang 1994 über dem Durchschnitt der Branche in den USA. Jedes einzelne Jahr – und für diese Branche sogar relativ deutlich (RS OMs = Reliance, Service Center OMs = relevante Peer Group).

Quelle: Investor Relations Reliance
Ich werde mich hier auf den Verlgeich Reliance – Klöckner konzentrieren, weil ich mich mit diesen beiden Unternehmen intensiver beschäftigt habe. Es gibt jedoch eine Unmenge an Konkurrenten, die nicht unbedingt börsennotiert sind.

Markt & Wettbewerbsvorteil

Reliance macht dasselbe wie Klöckner (im Englischen eben metals service center). Sie agieren als Bindeglied zwischen Stahlerzeugung und Stahlverbrauch, wobei neben dem reinen Handel auch spezielle Anarbeitungs-Dienstleistungen durchgeführt werden. Die Kunden sind zumeist klein- und mittelgroße Betriebe. Im Endeffekt handelt es sich hier um eine spezielle Nische, weil diese Endkunden zu klein sind,
  • um bei den großen Stahlwerken zu bestellen, 
  • und es sich für diese nicht rentiert, das spezialisierte Anarbeitungsequipment anzuschaffen.

Dieser Markt ist extrem fragmentiert. Um mich in diesem Post auf die USA zu konzentrieren: Reliance ist inzwischen die größte Service-Center-Gruppe mit einem Marktanteil von gerade einmal 4,4%.

Bruce Greenwald würde hier wahrscheinlich stoppen, weil es keine dauerhaften Wettbewerbsvorteile geben kann (zumindest nicht nach seinen Kriterien – konstant hoher Marktanteil, stabile Margen, Anteil der Fixkosten an den Gesamtkosten hoch – bei allen drei Kriterien trifft eigentlich das Gegenteil zu). Wie erklären sich also die überlegenen Ergebnisse von Reliance gegenüber der Konkurrenz? Die Margen sind immer über Branchenschnitt und, dabei selbst in Krisenjahren wie 2001-2003 und 2009 positiv – wenn auch mit dem Konjunkturzyklus schwankend. Um bei Greenwald zu bleiben, es gibt dafür nur drei mögliche Erklärungen:
  • Effizienz,
  • Effizienz oder
  • Effizienz.

Egal, welcher der drei Punkte es ist, es läuft auf eines hinaus: gutes Management. Und hier unterscheidet sich Reliance eindeutig von Klöckner, und wahrscheinlich auch von den meisten anderen Konkurrenten. Ich möchte das anhand der folgenden Punkte erläutern.

Zentrale gegen dezentrale Organisation

Darüber hinaus arbeiten wir mit Hochdruck an der weiteren Implementierung unseres Optimierungsprogramms KCO WIN. Wesentliches Ziel des Programms ist es, die für unsere Produkte und Dienstleistungen am Markt erzielbaren Margen durch eine optimierte Preisgestaltung noch konsequenter zu realisieren. Dafür werden wir die für die Festsetzung unserer Angebotspreise relevanten Daten zunehmend softwaregestützt ermitteln und auswerten.

Gisbert Rühl, Vorstandsvorsitzender Klöckner, Geschäftsbericht 2014

We compete with other companies on price, service, quality and availability of products. We maintain relationships with our major suppliers at the executive and local levels and a decentralized operational structure. We believe that this division of responsibility has increased our ability to obtain competitive prices of metals and to provide more responsive service to our customers.

Reliance Steel & Aluminium Co., Geschäftsbericht (10-K) 2014

Ich glaube, dass das einer der Hauptunterschiede zwischen den beiden Unternehmen ist. Klöckner ist relativ zentral organisiert. Der Witz an der ganzen Digitalisierungsstrategie ist aber, dass das ein noch viel stärkerer Schritt in Richtung Zentralisierung ist – zumindest so wie ich das verstehe.

Im Gegensatz dazu ist Reliance – eines der wenigen wirklich profitablen Unternehmen in dieser Branche – extrem dezentral organisiert. Die Tagesgeschäfte werden von den lokal verantwortlichen Leuten ausgeführt, die dann best-practice-Methoden untereinander diskutieren. Entsprechend ist auch die Entlohnung an einen Mix aus Bruttogewinn (-Marge), Vorsteuergewinn (-Marge) und Eigenkapitalrendite gekoppelt. Bei Klöckner zählt das EBITDA (vor Restrukturierungsmaßnahmen). 
Out in the field, our guys, they don't focus on moving tons. It's not part of what we do. They focus on their pretax profit earnings and gross profit, and taking care of customers. They really don't discuss how many tons are we moving out here.

Jim Hoffman, SVP Operations, Reliance Steel & Aluminium, Q2 2015 earnings conference call

Fokus auf Wiederbeschaffungskosten

Wir veräußern den überwiegenden Teil unserer Produkte zu den jeweils am Markt herrschenden Tages-/Spotpreisen. Aufgrund einer Zeitspanne von bis zu einigen Monaten zwischen der Preisfixierung im Einkauf und der Rechnungsstellung für unsere Verkäufe unterliegen wir permanent einem Bestands- und Bewertungsrisiko. Zu hohe Bestandspreise können die laufende Ergebnislage negativ beeinflussen (negativer Windfall-Effekt).

Klöckner, Geschäftsbericht 2014

Our last-in, first-out (‘‘LIFO’’) method inventory valuation reserve adjustment, which is included in cost of sales and, in effect, reflects cost of sales at current replacement costs, resulted in a charge, or expense, of $54.5 million in 2014 compared to a credit, or income, of $50.2 million in 2013.Our inventories are primarily stated on the last-in, first-out (‘‘LIFO’’) method, which is not in excess of market. We use the LIFO method of inventory valuation because it results in a better matching of costs and revenues.

Reliance Steel & Aluminium, Annual Report (10-K) 2014

Anmerkung:
Reliance berichtet unter US-GAAP: LIFO (Wikipedia) oder FIFO (Wikipedia) ist frei wählbar
Klöckner berichtet unter IFRS: keine Wahl, FIFO ist vorgeschrieben

Wenn die Vorräte in den Bilanzen annähernd gleich groß sind wie das Eigenkapital, muss man sich überlegen, wie man mit den teilweise heftigen Preisschwankungen der Metalle umgeht. Reliance fokussiert sich auf die Wiederbeschaffungskosten. Das macht in meinen Augen durchaus Sinn. Die Warenbestände werden ähnlich behandelt wie langfristige Anlagen: man muss ein gewisses Lager haben, um das Geschäft überhaupt betreiben zu können. Wird nun z.B. ein Coil (bearbeitet und) verkauft, richtet man sich beim Angebot nach den Wiederbeschaffungskosten, da man mit dem eingenommenen Geld, das Lager zu ebendiesen Kosten wieder auffüllen muss. Unabhängig davon, was man für diesen speziellen Coil bezahlt hat. Metalle verderben nicht, wenn man sie stehen lässt. Eines das ich vor zwei Monaten gekauft habe, ist noch genauso gut wie eines, das ich heute geliefert bekomme.

LIFO ist die Vorrats-Bewertungsmethode, die Sinn macht.

Bei Klöckner ist dazu nicht besonders viel zu finden. Obiges Zitat macht Sinn, weil man berichtstechnisch unter IFRS sowieso dazu gezwungen ist die Einkaufspreise zu verwenden. Die Frage ist: orientiert sich Klöckner beim Verkauf an den Wiederbeschaffungspreisen - unabhängig von der Berichterstattung - oder an den Einkaufspreisen?

Die Antwort auf diese Frage ist extrem wichtig! Das ist nicht nur ein Unterschied in der Bilanzierung den man einfach herausrechnen muss, wie einem die vielen Bilanz-Lesen-Erklärungs-Kurse im Internet oder besonders gescheite Bücher weißmachen wollen. Vor allem nicht in dieser Branche, wo die Vorräte so hoch sind, und nicht dann, wenn man das FIFO-Prinzip verwendet, und dieses potenziell das Verhalten der Verkäufer beeinflusst.

Ein einfaches (konstruiertes) Beispiel:

Nehmen wir eine 20% Marge auf den Spotpreis an (nicht unrealistisch laut den GuVs von Klöckner und Reliance – inkl. Anarbeitung). Einkauf 1.000. 3 Monate später ist der Spotpreis bei 1.100 bzw. bei 900 (10% höher bzw. tiefer). Nehmen wir an, die 20% Bruttomarge ist vorgeschrieben, sonst soll der Verkäufer das Geschäft nicht machen. 

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Fall 1: Preis steigt

Der LIFO Verkäufer verlangt ebenso wie der FIFO Verkäufer erst mal 1.375. Das ergibt eine Bruttomarge von 27,3% (FIFO) bzw. 20% (LIFO). Damit wären beide zufrieden. Nehmen wir an, der Kunde verlangt 5% Rabatt. Der Verkaufspreis wäre dann 1.375*0,95 = 1.306. Die FIFO-Marge ist 23,4%. Die LIFO-Marge nur noch 15,8%.

Nach LIFO wird die Margenvorgabe nicht erfüllt, also geht der LIFO-Verkäufer den Deal nicht ein. Und jetzt kommen wir zum interessanten Teil, der grün eingekringelt ist: unter FIFO hingegen wird die Marge von 20% immer noch übererfüllt, und das Geschäft kann gemacht werden. Der FIFO-Verkäufer befindet sich in einem Dilemma. Im Zweifel denkt er sich: ich habe eh um 1000 gekauft und gebe den Rabatt, um den Deal fix zu machen.

Aber auch wenn nach FIFO berichtet wird – ökonomisch zählt der LIFO-Gewinn. Die entsprechende Adjustierung (Erhöhung der Kosten um 100 für die Wiederbeschaffung) zeigt das Dilemma auf. Der 5% Rabatt zerstört die Marge, auch wenn das unter FIFO nicht ersichtlich ist.

Ist die Marge nun noch hoch genug, um die Fixkosten zu decken und eine positive operative Marge zu erzielen? Sind FIFO-Verkäufer anfällig dafür, zu billig zu verkaufen, besonders in einer Branche die mengengeil ist? Ist es das was passiert, wenn man die Entlohnung am EBITDA festmacht, anstatt an der Marge oder an der Kapitalrendite? Und die Preisfrage: Kann man so etwas ändern – von mir aus mit Hilfe einer Digitalisierungsstrategie?

Fall 2: Preis sinkt

Hier beginnt das Dilemma viel früher: unter FIFO, kann eigentlich nie ein Deal eingegangen werden. Es bleibt gar nichts anderes übrig, als nach Wiederbeschaffungspreisen zu handeln, sonst verkauft man gar nichts.

Die Kunst des Verkaufens besteht nicht darin Menge zu machen, sondern darin dies mit einem Aufschlag auf die Kosten zu tun. Es ist anzumerken, dass der LIFO-Verkäufer in einer schwierigeren Situation steckt, als der FIFO-Verkäufer: bei steigenden Preisen werden rundherum viele Rabatte vergeben. Bei sinkenden Preisen ist die Konkurrenz zumindest nicht teurer. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass jene Verkäufer, die ihre Geschäfte unter LIFO zum Abschluss bringen, diese Kunst beherrschen. Guter Service schadet dabei sicher nicht. 
As I said earlier, I think we've lost a little bit of tonnage business volume, okay. But from businesses that very honestly, we just didn't want to take the business. There's some competitors out there that have too much inventory, and they're doing whatever it takes to get rid of that inventory. We're not in that position. So we're choosing to pass on some of that volume. But as far as market share concern, we think we're building our market share.

Gregg Mollins, President, COO, Reliance Steel & Aluminium, Q2 2015 earnings conference call

(Ein kleiner Einwurf zum Nachdenken: prinzipiell sind die ausgewiesenen buchhalterischen Gewinne unter FIFO bei steigenden Preisen höher als die ökonomischen Gewinne. Dies führt, ökonomisch gesehen, zu überhöhten Steuerzahlungen. Da man allgemein von einem steigenden Preisniveau ausgehen kann: ist es Zufall, dass FIFO unter IFRS vorgeschrieben wird?
Umgekehrt, bei sinkenden Preisen sind die buchhalterischen Gewinne unter FIFO niedriger als die ökonomischen Gewinne. Angesichts der momentan deflationären Tendenzen ist das natürlich schlecht für die Steuereintreiber.)

Was mir am Reliance-Management sehr gut gefällt ist, dass der Fokus eben nicht auf der Menge liegt – eine Krankheit, die im Stahlhandel extrem verbreitet zu sein scheint (zumindest nach einigen Experten, mit denen ich das Vergnügen hatte darüber diskutieren zu können) – sondern auf der (LIFO-) Marge. Es sind nicht die höheren Fixkosten. Es ist wirklich nur die Differenz in der Bruttomarge. Neben der Tatsache, dass Klöckner mehr Standardgeschäft macht als Reliance glaube ich, dass der Klöcknervertrieb der oben beschriebenen Rabatt-/Mengenseuche unterliegt. Da das oben angeführte Zitat zu den Windfall-Effekten das einzige ist, was ich von Klöckner zu dieser Thematik finden konnte, scheint es mir so, als ob das Klöckner-Management das Handelsgeschäft nicht versteht. Ich bleibe hier absichtlich im Konjunktiv weil mir diese Aussage sehr gewagt scheint, und formuliere positiv:

Reliance beherrscht dieses Geschäft außergewöhnlich gut.

Quelle: Geschäftsberichte
Jetzt könnte man argumentieren, dass diese Margen durch die oben beschriebene LIFO/FIFO-Problematik verzerrt sind. Also konzentrieren wir uns auf eine Kennzahl die dadurch nicht tangiert wird, und setzen diese ins Verhältnis zu den Umsätzen: den Cash Flow aus operativer Tätigkeit nach Working Capital Anpassungen:

Quelle: Geschäftsberichte
Bei fallenden Preisen sind die CFs eher hoch, weil man durch die niedrigeren Wiederbeschaffungskosten bilanztechnisch ‚Vorräte abbaut‘ (auch wenn noch gleich viel Material da liegt). Die realisierten Preise je abgesetzter Tonne sind bei Klöckner im Schnitt etwas gestiegen, bei Reliance etwas gefallen. Ein Teil dieser Entwicklung mag im Unterschied im Verkaufsmix liegen, ein Teil in den unterschiedlichen Währungen in denen bilanziert wird. Das wirklich interessante sind jedoch die Differenzen in den Bruttomargen und den CFs (jeweils Reliance minus Klöckner).

Die Differenz in den CFs ist geringer als in der Bruttomarge, was ziemlich genau auf den FIFO/LIFO Effekt zurückzuführen ist, der oben lang und breit beschrieben ist. Nichtsdestotrotz ist die Differenz im Schnitt 4,3% im positiven Bereich. Klöckner generiert Null Wertschöpfung und wird ansonsten von Preisschwankungen getrieben, ohne selbst etwas zu bestimmen (bzw. zu können). Diese +4,3% Differenz sind reale Wertschöpfung von Reliance im Verhältnis zu einem durchschnittlichen Player wie Klöckner.

Nischen & Kundenbindung

Forcierter Ausbau höherwertiger Anarbeitungsdienstleistungen und Produkte
Neben der Digitalisierung ist der weitere strategische Hebel der Ausbau des Anteils höherwertiger Anarbeitungsdienstleistungen und Produkte. Im Zuge dessen werden wir die entsprechenden Investitionen in diesem Jahr um rund 50 % steigern. Das Marktpotenzial ist groß, da viele unserer Kunden stark vertikal integriert sind und dabei heute noch Arbeitsschritte abdecken, die wir durch die Bündelung von Aufträgen effizienter durchführen können. Ein gutes Beispiel hierfür sind unsere Investitionen in 3DLaser, mit denen wir mehrere konventionelle Arbeitsschritte unserer Kunden, wie beispielsweise das Bohren, Sägen oder Schlitzen, zu attraktiven Konditionen und unter einem deutlichen Zugewinn an Präzision kombinieren können. Erheblich ausbauen werden wir auch das margenstärkere Geschäft mit höherwertigen Produkten, wie z. B. Aluminium, das zunehmend von der Automobilindustrie nachgefragt wird.
Insgesamt planen wir, den Umsatzanteil mit höherwertigen Produkten und Anarbeitungsdienstleistungen bis 2017 weiter von derzeit 34 % auf 45 % auszuweiten. Bis 2020 wollen wir dann den deutlich überwiegenden Anteil unseres Umsatzes mit den margenstärkeren Produkten und Dienstleistungen erzielen.  

Klöckner, Geschäftsbericht 2014

We believe our focused growth strategy of diversifying our products, customers and geographic locations makes us less vulnerable to regional or industry specific economic volatility and somewhat lessens the negative impact of volatility experienced in commodity pricing and cyclicality of our customer end markets, as well as general economic trends. We also believe that our focus on servicing customers with small order sizes and quick turnaround, along with our growth and diversification strategy have been instrumental in our ability to produce industry-leading operating results among publicly traded metals service center companies in North America.

Reliance Steel & Aluminium, Annual Report (10-K) 2014

Das klingt ähnlich. Klöckner will zu höherwertigen Dienstleistungen hin. Reliance ist schon dort. Wie will Klöckner dahin?

Maschinen werden untereinander über Unternehmensgrenzen hinweg in Echtzeit kommunizieren und Geschäftsmodelle werden durch die Vernetzung von Kunden und Lieferanten entweder in Teilen oder komplett neu aufgestellt. Dieser Prozess ist in Branchen, die sich wie z. B. die Medienbranche leichter digitalisieren lassen, schon weit vorangeschritten, während andere – wie die Stahlbranche – noch erheblich zurückliegen.
Bis heute ist die Lieferkette in unserer Branche hochgradig ineffizient. Die Kunden bestellen wie vor Jahrzehnten überwiegend  per Telefon und Fax und es gibt kaum Ansätze eines durchgängig digitalen Order- und Prozessmanagements. Einzige Neuerung ist die zunehmende Anzahl von Bestellungen per E-Mail, was aber keine wesentlichen Veränderungen mit sich bringt. Dies führt nicht nur zu hohen Lagerbeständen und damit zu einer erheblichen Kapitalbindung, sondern auch zu hohen Prozesskosten. Darüber hinaus erhöhen die Ineffizienzen den Zeitaufwand von der Produktion bis zur Lieferung an den Kunden, so dass weiteres Ertragspotenzial nicht gehoben wird.Genauso wie Maschinen über Industrie 4.0 oder das „Internet der Dinge" vernetzt sind, sind dies auch Bauvorhaben und Lieferanten. Die Vernetzung aller Teilnehmer erfolgt dabei über eine Industrieplattform, in der nicht nur Stahl- und Metalldistributore, sondern z. B. auch Lieferanten für C-Material eingebunden sind. Sollte es in unserem Beispiel zu Nachträgen oder Veränderungen an dem Bauvorhaben mit kurzfristig veränderten Bedarfen kommen, wird über die Plattform der Lieferant nach bestimmten Prioritäten wie beispielsweise Lieferdatum oder Preis automatisch ausgewählt.
Das sieht zum heutigen Zeitpunkt für eine Branche, die bisher kaum vernetzt ist, wie ferne Zukunftsmusik aus. Wir erwarten aber, dass die Veränderungsprozesse über alle Branchen hinweg enorm an Fahrt gewinnen werden. Daher ist es zwingend erforderlich, dass wir uns schon heute darüber Gedanken machen, wie unser Geschäftsmodell in fünf Jahren aussehen könnte, um entsprechende Strategien zu entwickeln und umzusetzen.
Auf dem Weg dorthin sind wir bereits ein ganzes Stück vorangekommen: So haben wir unseren Webshop, der derzeit zum umfassenden Kundenportal weiterentwickelt wird, bereits in mehreren europäischen Ländern erfolgreich implementiert. Auch auf der Beschaffungsseite sind wir dabei, uns mit weiteren Lieferanten und Produzenten zu vernetzen. Im Berichtszeitraum konnten wir nach einigen Großhändlern auch bereits einen namhaften Stahlproduzenten für eine umfassende EDI-Anbindung gewinnen. Aber auch dies ist nur ein Zwischenschritt. Ähnlich wie auf der Kundenseite werden wir zukünftig auch hier ein Lieferantenportal einsetzen und damit sukzessive spezifische EDI-Anbindungen ablösen.

Klöckner, Geschäftsbericht 2014

…if you can keep your lead times low, your on time delivery intact, and something that our customers can depend upon, and you have relationships with your customers, with your outside and inside salespeople, okay. You can get an extra penny here and there, which is exactly what happened with the 25.7%. So our people in the field are pretty darn good at blocking and tackling, and doing the basic fundamentals well.

Gregg Mollins, President, COO, Reliance Steel & Aluminium, Q2 2015 earnings conference call

Wie bekommen wir höherwertiges Geschäft und binden Kunden zusammengefasst:
  • Klöckner: Digitalisierung. Eine Art Amazon oder Ebay des Stahlhandels. Zentralisierung.
  • Reliance: Guter Service. Dezentralisierung.

Das ist vielleicht der Punkt, über den ich mir am wenigsten klar bin. Tatsache ist, dass Reliance das Geschäft macht, das Klöckner gerne hätte.
  • Bietet die Digitalisierung die Chance dazu? Ist das eine Gefahr für Reliance?
  • Kann Reliance zur Not auch selbst eine Onlineplattform einrichten? Oder ist es dann zu spät?
  • Angesichts der weiter oben dargestellten Performance scheint die Digitalisierung für Klöckner auf jeden Fall eine der wenigen Chancen zu sein, sich irgendwie zum Positiven zu verändern. Alles andere hat bisher nicht funktioniert.
  • Erkennt das Klöckner-Management die oben beschriebene Problematik des Mengen-Wahnsinns und programmiert die Software entsprechend?
  • Die ebenfalls amerikanische Ryerson, mit ähnlich schlechten Resultaten wie Klöckner, versucht das mit der Digitalisierung übrigens auch.

Ich wäre dankbar für eure Meinungen im Kommentarteil.

Wachstum – Akquisitionen

Den Ausbau unseres höhermargigen Geschäfts wollen wir sowohl über internes als auch über externes Wachstum erreichen. Daher planen wir neben der deutlichen Erhöhung der Investitionen in diesem Bereich – nach der erfolgreichen Übernahme von Riedo im Berichtszeitraum – weitere Akquisitionen von Unternehmen mit einem umfangreichen Angebot an höherwertigen Produkten und Anarbeitungsdienstleistungen. Darüber hinaus sind auch Beteiligungen an Start-up-Unternehmen zur Forcierung unserer Digitalisierungsstrategie vorgesehen.

Klöckner, Geschäftsbericht 2014

According to IBISWorld Inc., the number of metal wholesale centers in the United States decreased from approximately 11,000 locations operated by 8,300 companies in 2002 to approximately 10,600 locations operated by more than 7,500 companies in 2014. This consolidation trend continues to create opportunities for us to expand by making acquisitions.

Reliance Steel & Aluminium, Annual Report (10-K) 2014

Reliance’s primary business strategy is to increase our operating results through the expansion of our existing operations, at the same time penetrating new markets through strategic acquisitions. We pursue businesses that will increase our customer base, product breadth, and geographic presence. Reliance Steel & Aluminum Co. is known in the metals service center industry as the “Acquirer of Choice”.

Quelle: Investor Relations Reliance

Acquirer of Choice: wie weiter oben vielleicht rauskommt, ist das Management von Reliance in meinen Augen vertrauenswürdig. Und offenbar sehe nicht nur ich das so. Wenn ein Besitzer eines kleinen Service Centers beschließt zu verkaufen: an wen verkauft er wohl am liebsten?

Da es aufgrund des Konsolidierungstrends viele Akquisitionsmöglichkeiten gibt, ist Reliance eher in der Lage, sich die besten Gelegenheiten auszusuchen. Das wiederum bedeutet, dass Reliance seinen Free Cash Flow für interessante Übernahmen einsetzen kann, was wiederum einen guten Teil der erfolgreichen Akquisitionsstrategie in der Vergangenheit erklärt.

Was dabei herauskommt ist ein Compounding-Effekt in einer an und für sich stagnierenden Branche, die noch dazu stark konjunkturabhängig ist. 


Die Akquisitionskriterien von Reliance (bei Klöckner konnte ich außer dem oben zitierten nichts Wesentliches finden):


Quelle: Investor Relations Reliance

Zusammenfassung

Der Punkt den ich in diesem langen Post machen will ist der: es gibt keinen offensichtlichen Wettbewerbsvorteil, so wie Bruce Greenwald ihn gerne hat. Es sind viele kleine Dinge. In Wirklichkeit ist es eine extrem effiziente Unternehmenskultur, die schwer zu kopieren ist – zumindest in dieser Größenordnung. In einer Branche, die keine Greenwald’schen Wettbewerbsvorteile zulässt, ist das das einzige was zählt. Und so paradox das auch klingen mag, das stellt einen Wettbewerbsvorteil dar. (Siehe Admiral, das als KFZ-Versicherer auch nur von seiner außergewöhnlichen Unternehmenskultur lebt).

Da ein Thema wie Unternehmenskultur nur schwer greifbar ist, habe ich auf die vielen angeführten Zitate zurückgegriffen, um das etwas rüber zu bringen. Ich wollte ursprünglich ein ausgewogenes Verhältnis von Klöckner- zu Reliance-Zitaten bringen, aber offensichtlich hat das Klöckner-Management den Aktionären zu den angesprochenen Themen nicht viel zu sagen. Auch das sagt viel aus. Wenn man durch die Reliance-Unterlagen geht, hat man das Gefühl man lernt was über das Geschäft. Das ist bei Klöckner überhaupt nicht der Fall.

Ich habe eine kleine (Anfangs-) Position in Reliance Steel & Aluminium Co. aufgebaut. Das KGV beträgt momentan ca. 11 (das kann sich schnell ändern, da die Gewinne volatil sind, ebenso wie der Kurs; außerdem darf man vorerst wohl nicht mit steigenden Stahlpreisen rechnen), die Dividendenrendite beträgt ca. 2,6%. Auf lange Sicht halte ich den Kurs für nicht zu teuer. Eventuelle Kursrückgänge werde ich für Nachkäufe nutzen.


P.S.:
Wikifolio: enttäuschend aber wahr: Reliance ist über Wikifolio nicht handelbar. Damit vergrößert sich der Unterschied zwischen meinem Portfolio und dem Wikifolio weiter.

18. September 2015

Kansas City Life Insurance - 10% in 3 Monaten

Die Kansas City Life Insurance bietet eine Chance auf relativ ungefährdete 10% oder USD 1270 bis Mitte Dezember 2015.

Der Hintergrund ist, dass die Eigentümerfamilie/Management die Kleinaktionäre raushaben will, um nicht mehr unter die SEC-Berichtspflichten zu fallen. Dadurch hofft man den Fokus weg von Quartalsergebnissen zu bekommen und Kosten einzusparen.

Man könnte auch sagen, dass das für die Initiatoren eine Möglichkeit ist eigene Aktien unter Buchwert zu kaufen. Entsprechende Beschwerden von Kleinaktionären wurden schon veröffentlicht. Z.B. hier:
http://massachusettsnewswire.com/shareholder-issues-letter-to-kcli-board-of-directors-believes-proposed-go-private-transaction-structured-unfairly-19289/

Das Unternehmen wird einen 1:250 Reverssplit durchziehen. Aktionäre, die weniger als 250 Aktien besitzen (also z.B. 249) bekommen für jede Aktie USD 52,50 in Cash (am 16. Dezember 2015). Danach wird die Aktie wieder gesplittet - im Verhältnis 250:1. Und alles bleibt, wie es war - nur eben ohne Kleinaktionäre.

Eine Aktie kostet momentan USD 47,40. Das macht einen Gewinn von (52,5-47,4)/47,4 = 10,76% in ca. 3 Monaten. Unter Ausnutzung der Maximalgrenze von 249 Stück kann man so einen relativ sicheren Gewinn von USD 1270 einfahren (vor Steuern und Gebühren).

Die Transaktion muss natürlich genehmigt werden, aber die oben angeführten Initiatoren kontrollieren mehr als zwei Drittel der Stimmrechte, was die ganze Sache relativ sicher macht.

Aufgrund der Beschränkung auf 249 Aktien, existiert diese Gelegenheit nur für Klein(st)investoren.

Die Proxy Statements der Kansas City Life Insurance können hier nachgelesen werden:
https://www.kclife.com/Company/Financials.aspx

Wikifolio: Ich habe es schon ausprobiert, über Wikifolio ist die Aktie nicht handelbar, wodurch diese Gelegenheit nicht nutzbar ist.

Ich werde mir wahrscheinlich 249 Aktien für mein Privatdepot kaufen.

19. August 2015

Update – August 2015


Es wird mal wieder Zeit für ein etwas ausführlicheres Update.

Ich weiß nicht, ob ich diese Updates mehr für mich schreibe, oder mehr für euch LeserInnen. Mir helfen diese Updates auf jeden Fall immer dabei zu prüfen, ob ich mit den eingegangenen Positionen weiterhin ruhig schlafen kann. Also zwinge ich mich mal wieder dazu. Im Endeffekt soll der Blog ja mir dabei helfen, bessere Investitionsentscheidungen zu treffen – nicht euch ;-)

Heute werde ich alle Positionen die ich hier mal besprochen habe, und nach wie vor halte, durchgehen. Das wird länger dauern.

In alphabetischer Reihenfolge.


Die Admiral Group befindet sich leider nicht in meinem Wikifolio, weil sie über dieses leider nicht investierbar ist. Da ich abseits vom Wikifolio aber doch einige Aktien dieser Versicherung halte, inkludiere ich sie in diesem Update.

Admiral liefert eigentlich immer. 2014 war das erste Jahr seit dem Börsengang, in dem Gewinn und Dividende (leicht) rückläufig waren. Im ersten Halbjahr 2015 wurde dieser Trend wieder umgedreht, Ergebnis und Dividende steigen wieder, wenn auch nur leicht. Möglich war dies in erster Linie durch eine positive Entwicklung der Schadensrückstellungen in den Vorjahren. Admiral hat wieder einmal zu konservativ vorgesorgt – was ein Kompliment ist.

Inzwischen ziehen die KFZ-Versicherungspreise in England wieder leicht an und einige kleinere Konkurrenten sind aus dem Markt ausgestiegen, was Admiral wieder etwas stärker auf Wachstumskurs umschwenken lassen wird. Auch international gibt es erfreuliches zu berichten: In Italien wurde 2014 mit einem kleinen Gewinn der Break-even erreicht, Spanien soll heuer oder nächstes Jahr folgen. In Frankreich und den USA ist man davon noch etwas weiter entfernt, aber das sind auch die jüngsten Auslandsmärkte. Das Erreichen des Break-even kann in diesem Geschäft durchaus zehn Jahre dauern.

Die schlechte Nachricht: Bei den Versicherungs-Vergleichsseiten wurde sowohl 2014 als auch in den ersten 6 Monaten 2015 ein Verlust verbucht. Dies lag einerseits an der harten Konkurrenz in England (obwohl man da nach wie vor profitabel arbeitet), hauptsächlich aber an den sehr hohen Investitionen in den USA.

Das hat auch gute Seiten: compare.com ist in den USA vor allem bei kleineren Versicherungen beliebt, die nicht so viel Aufmerksamkeit durch TV-Werbung generieren können, wie vor allem die bekannten GEICO und Progressive das tun. Noch wird Warren Buffett nicht vor compare.com zittern, aber es ist für die kleinen eine Möglichkeit, diesen Vorteil der großen zu brechen, oder zumindest zu schmälern. Heutige Investitionen können sich in Zukunft also durchaus bezahlt machen. Des Weiteren arbeitet man inzwischen mit Google Compare zusammen.

Ein Vorteil der Vergleichsseiten: Admiral gewinnt einen tiefen Einblick in die Marktdynamik, mehr als man mit dem Betrieb des Versicherungsgeschäfts alleine je erhalten könnte. So gesehen, wäre es nicht einmal so schlimm, wenn die Gewinne hier nicht ins Unendliche wachsen. Admiral bleibt schließlich ein Versicherungsunternehmen.

Fazit: die britische Admiral
  • hat ein ungewöhnliches Geschäftsmodell mit einem ungewöhnlichen Burggraben
  • generiert Eigenkapitalrenditen von über 50%
  • wächst stark
  • hat inzwischen auch in Italien den Break-even erreicht
  • wird das bald auch in Spanien, allerdings erst später in Frankreich und den USA
  • der CEO wird (leider) bald in Pension gehen – der Nachfolger ist allerdings ebenfalls ein Mitbegründer und Großaktionär, der das Geschäftsmodell versteht
  • die Aktie kann zu einem KGV von 15 gekauft werden
  • man kassiert eine Dividende von momentan über 6%

Ich weiß nicht, was man von einem Investment mehr erwarten kann. Eigentlich sollte ich fast noch mehr kaufen.


Auch hier ist meine Investmentthese ist auf einen längeren Zeitraum ausgelegt. Die operative Entwicklung wird immer besser, selbst in einem anhaltend schwierigen Niedrigzinsumfeld (ich bin ja gespannt, ob die Fed wirklich bald die Zinsen erhöht, oder die aktuellen Probleme um China wieder für ein ‚Nach-hinten-verschieben‘ nutzt). Die Bank hat für die ersten 6 Monate 2015 einen Gewinn von etwa 70 US-Cent pro Aktie ausgewiesen, was im Verhältnis zu den letzten Jahren außergewöhnlich gut ist. Das Kostensenkungsprogramm zeigt Wirkung, außerdem scheinen nun wirklich (fast) alle juristischen Probleme wegen der Countrywide-Übernahme abgearbeitet zu sein. Selbst kleine Zinserhöhungen sollten voll auf die Gewinne durchschlagen.

Eine positive Überraschung, mit der ich ursprünglich gar nicht gerechnet habe, ist die Tatsache, dass die Bank of America trotz Kostensenkungsprogramm in eine Online-Banking-Plattform investiert hat (mit Apps und allem drum und dran),  die stark wächst (auch wenn im Verhältnis zur Gesamtbank noch klein) und zu den besseren in den USA gehören dürfte, wenn man sich verschiedene Reviews ansieht.

Weiters, und das scheint selbst vielen eingefleischten Buffett-Fans zu entgehen, hat nicht nur Bruce Berkowitz eine große Position aufgebaut, sondern auch der Meister höchstpersönlich. Aus dem Geschäftsbericht von Berkshire Hathaway 2014:

Berkshire has one major equity position that is not included in the table (Anmerkung: Aktienportfolio): We can buy 700 million shares of Bank of America at any time prior to September 2021 for $5 billion. At yearend these shares were worth $12.5 billion. We are likely to purchase the shares just before expiration of our option. In the meantime, it is important for you to realize that Bank of America is, in effect, our fourth largest equity investment – and one we value highly.

Vor allem bei einem Investment in eine Bank (hoher Leverage) ist es um mein Durchhaltevermögen viel besser bestellt, wenn Typen dabei sind, die
  • vom Banking mehr verstehen als ich
  • mehr Ressourcen in die Bilanzanalyse stecken können als ich
  • ebenfalls eine (auch für ihre Verhältnisse) sehr große Position aufgebaut haben

Ich glaube das ist mit einer der Gründe, warum ich meine Position in der Deutschen Bank nicht durchgehalten habe –  dort ist einfach kein solcher Investor mit dabei.


Die Aktie leidet unter den Konjunktursorgen, die China momentan überall verbreitet. Die Umsätze in der Asien/Pazifik Region machen etwa 17% des BASF-Umsatzes aus, und davon hängt sicher einiges an China. Wahnsinnig beunruhigen tut mich das nicht, das operative Geschäft läuft (noch). Ups und Downs in der Konjunktur gehören für die BASF irgendwie zum Tagesgeschäft.

Ein anderer Punkt der manche beunruhigt, ist der fallende Ölpreis. BASF ist über die Tochter Wintershall im Bereich Öl und Gas tätig. Ich habe in meiner Analyse allerdings explizit darauf hingewiesen, dass ich dieses Geschäft als internen Hedge zum Chemiegeschäft betrachte, das auf Öl und Gas als Inputfaktoren angewiesen ist. Steigende Margen im Chemiegeschäft sind mit fallenden Margen der Wintershalltochter verbunden und vice versa. Das Ergebnis sind relativ zufriedenstellende Konzernmargen in jedem Öl-/Gaspreisumfeld, solange Wintershall nicht gerade pleite geht – wovon ich nicht ausgehe.

Je nachdem, wie weit der Kurs noch fällt, werde ich mir Zukäufe überlegen.


Der Paypal-Spinoff ist vollzogen, und ab sofort wird Ebay nur noch von seinen Online-Marktplatz-Aktivitäten abhängen (auch das Enterprise-Segment wird verkauft). Ebay hat in den vergangenen Jahren viel Ärger für alteingesessene Kleinhändler verursacht. Viele vermuten, dass Ebay versucht, sie gezielt los zu werden um mit Hilfe von größeren Händlern einen Angriff auf Amazon zu starten – weg vom Online-Flohmarkt und hin zur Neuwarenplattform. Die Strafe war ein sich deutlich verlangsamendes Umsatzwachstum in diesem Bereich. Das alles passierte unter dem alten CEO Donahoe, der 2008 übernahm – exakt damals begann auch die Verlangsamung des Umsatzwachstums.

Das neue Management gab in der Zwischenzeit erste Anzeichen, dass es sich wieder stärker um Kleinhändler ‚kümmern‘ will (Beispiel hier, vor allem der Kommentar von nadine, Stichwort Flohmarkt) – die Frage ist, ob es nicht schon zu spät ist.

Derweil produziert Ebay massenhaft an Free Cash Flow zwischen USD 2,5 und 3,5 Mrd., bei einer Marktkapitalisierung von gerade einmal USD 34,5 Mrd. Wenn der neue CEO Wenig auch nur halbwegs passabel umsetzt, könnte Ebay noch ein sehr gutes Investment werden.

Fannie Mae (hier, hier und hier)

Das ist nach wie vor die unsicherste Wette im Wikifolio (ja, Wette, nicht Investment). Es bleibt dabei, alles oder nichts. Nachkaufen werde ich nicht. Interessant ist, dass sich die US-Regierung gegen die Herausgabe von über 11.000 Dokumenten wehrt. Siehe z.B. hier. Dreck am Stecken?

Inzwischen hätte die US-Regierung gerne, dass Fannie und Freddie ihr Geschäftsvolumen ausweiten und ihrer ursprünglichen Aufgabe, den Hypothekenmarkt liquide zu halten, verstärkt nachkommen. Irgendwie ist das ein indirekter Beleg dafür, dass Berkowitz in seiner Behauptung richtig liegt, dass es keine echte Alternative für die beiden gibt. Das spricht gegen eine Abwicklung der beiden. Ich habe Zweifel, ob die Obama-Administration irgendeinen konkreten und nützlichen Plan bezüglich der beiden hat.

Inzwischen ist auch Bill Ackman mit an Bord (z.B. hier oder hier), der Fannie und Freddie als Investments mit dem besten Chance-Risiko-Verhältnis bezeichnet, die momentan zu finden sind. Nun ja…


Hornbach steuert weiter relativ unspektakulär, aber dafür profitabel durch die europäischen DIY-Märkte. Nach der Praktikerpleite wird der Expansionsfokus wieder auf Deutschland zurückgelenkt, wo inzwischen 97 Filialen betrieben werden (neben 50 im europäischen Ausland). Der Marktanteil im deutschen DIY-Markt ist inzwischen auf ca. 11% gestiegen.

Die etwas niedrig aussehende Eigenkapitalrendite ist meines Erachtens etwas verzerrt durch
  • einen extrem hohen Cashbestand von ca. EUR 12 pro Aktie
  • Immobilienbesitz: ein großer Teil der Baumärkte wird nicht gemietet oder geleast wie bei vielen Konkurrenten, sondern eben besessen – die Immobilien stehen nach wie vor zu Anschaffungskosten in den Büchern und enthalten stille Reserven von ca. EUR 8 pro Aktie

Ich habe absolut kein Problem damit, diese Aktie einfach zu halten. Der ROIC im Kerngsegment Baumärkte ist weiterhin zufriedenstellend, auch wenn die Berechnung nicht ganz einfach ist, weil die Daten dafür aus den Fußnoten des Geschäftsberichtes zusammengekratzt werden müssen.


Die alte Leier von den sinkenden Umsätzen, jetzt noch zusätzlich durch den starken Dollar beschleunigt. Ja, stimmt. Und? Die Gewinne sind es, die zählen. Normalerweise. Im Falle von IBM mehr die Owner Earnings, da die Gewinne durch einige Buchhaltungseigenheiten verzerrt werden.

Wenn wir die Owner Earnings für die Gewinne einsetzen, ist IBM zu einem KGV von leicht über 10 zu haben. Und langsam aber sicher entwickelt das Unternehmen Strategien, endlich den berühmten Watson zu Geld zu machen (z.B. hier).

Was zusätzlich etwas Mut macht, ist
  • Das Gewinn-Ziel pro Aktie wurde aufgegeben. Endlich. Es ist zwar schön, wenn der Gewinn pro Aktie steigt, aber das als Ziel zu haben ist irgendwie einfach idiotisch. Besser ist es, sich auf das Geschäft zu konzentrieren. Ein steigender Gewinn ist dann nur Ausdruck davon, dass das ordentlich gemacht wird.
  • Buffett denkt nicht ans Verkaufen, was es mir etwas leichter macht, durchzuhalten, siehe Bank of America. Eigentlich hat er ja sogar geschrieben, dass er sich einen sinkenden Kurs wünscht, weil das Aktienrückkaufprogramm dann wesentlich effektiver ist. Das wird in einem höheren Wert pro Aktie in der ferneren Zukunft enden (siehe Kommentar hier- Aktienrückkäufe).


Kapsch hat gerade erst die Zahlen für das erste Quartal des neuen Geschäftsjahres bekanntgegeben und sehr viel besser verdient, als ich gedacht hätte: 75 Cent pro Aktie.

Mit meinem ersten Kauf war ich zwar etwas zu früh dran, da ich aber das zwischenzeitliche Tief des Aktienkurses bei ca. EUR 17 für Zukäufe genutzt habe, bin ich mit der Position über 20% im Plus. Meine Investmentthese scheint vorläufig voll aufzugehen.

Zwei Erfolgsmeldungen neben dem guten Ergebnis:
So darf es weitergehen.


Auch hier war ich wohl etwas zu früh dran. Die Zahlen für das erste Halbjahr werden Ende dieser Woche veröffentlicht. Wie ich in meiner (erst kürzlich veröffentlichten) Analyse geschrieben habe, wird das Ergebnis aufgrund der Devestition des Reiseveranstaltungsgeschäftes wohl eher miserabel aussehen.

Ich halte nach wie vor daran fest, dass das nur kurzfristig ein Problem ist. Langfristig sollte Kuoni zu einem viel besseren Unternehmen werden.

Auch hier werde ich ein eventuelles Nachgeben des Kurses für Zukäufe nutzen.

Microsoft

Nach wie vor habe ich keine Einzelanalyse zu Microsoft gepostet, werde das aber hoffentlich einmal nachholen können.

Das Unternehmen hat inzwischen Zahlen für das Geschäftsjahr 2014/15 veröffentlicht, die insgesamt sehr gut waren. Allerdings müssen wir für diese Feststellung den Abschreiber auf das von Nokia übernommene Handygeschäft ausblenden, das noch unter Ex-CEO Ballmer übernommen wurde. Irgendwie war dieser Abschreiber schon damals vorhersehbar. Der Verlust entstand in Wirklichkeit nicht in diesem Geschäftsjahr, sondern schon im Jahr der Akquisition.

Microsoft sitzt auf einer komfortablen Cashposition, die das inzwischen optisch etwas hoch aussehende KGV doch relativiert. Ich gehe von einem normalisierten Gewinn von USD 2,70 aus, was bei einem Kurs von aktuell USD 46,5 ein KGV von ca. 17 bedeutet.

Adjustiert um die Cashposition von ca. USD 7,50 (mit einem Abschlag von 20% zum Cashbestand in der Bilanz, weil das Geld bei Rückholung in die USA mit einer Steuer belegt würde, deren Höhe ich nicht abschätzen kann - die 20% dürfen also ruhig in Zweifel gezogen werden) relativiert sich das KGV auf ca. 14,4. Ein Wert, den ich trotz des guten Laufes der Aktie in den letzten Monaten nicht übertrieben finde.

Auf was es in nächster Zeit ankommen wird:
  • Office 365 Umstellung: das läuft bisher hervorragend
  • Azure: läuft wie Office 365 hervorragend
  • Windows 10: zu früh, um das beurteilen zu können. Die Reviews zum Betriebssystem im Netz sind aber ganz gut

Ich glaube, dass der neue CEO Nadella (Interview Auszug) ein guter Mann für diese Rolle ist, denn was er macht scheint Hand und Fuß zu haben (was bei Ballmer nicht immer der Fall war, siehe Nokia).

Ein Beispiel ist die Auslagerung des (Online-) Anzeigengeschäfts an AOL (AOL wird dafür Bing unterstützen, anstelle von Google), gleichzeitig gewinnt Bing in den USA immer mehr Marktanteile gegen Google (auch wenn Google immer noch einen Riesenvorsprung hat).

Ein anderes Beispiel aus dem Spielebereich (mit der Xbox): Als Microsoft 2014 Mojang und damit Minecraft übernommen hat, habe ich mir erst gedacht: was soll der Blödsinn? Dann wurde die Hololens vorgestellt. Auf der E3 2015 ist die Kombination ziemlich gut angekommen, und ich glaube, davon können wir uns noch einiges erwarten.

Paypal (hier und hier)

Paypal ist die sicherlich teuerste Aktie, die ich besitze (KGV, KBV oder was auch immer). Ich glaube aber auch die mit den besten Chancen auf starkes und profitables Wachstum.

Paypal ist momentan auf Akquisitionsmodus geschalten, und saugt alles auf, was technologisch nützlich sein könnte (hier, hier und hier).  Als besonders interessant könnte sich dabei der Kauf von Xoom erweisen.

Ähnlich wie bei Paypal handelt es sich bei Xoom um eine Online-Plattform, aber nicht für (Einkaufs-) Zahlungen sondern für Geldtransfer. Dieser Dienst wird vor allem von Migranten genutzt um Geld, das im Ausland verdient wird, an die eigene Familie zu schicken und diese somit zu unterstützen.

Der Platzhirsch in diesem Geschäft ist die relativ bekannte Western Union. Neben der Tatsache, dass Paypal CEO Schulman diesen Markt als ripe for disruption bezeichnet hat, könnten noch ganz andere positive Effekte für Paypal entstehen: wer Xoom nutzt, und mit diesem (in einigen Monaten) zu Paypal gehörenden Dienst zufrieden ist, lässt sich vielleicht auch leichter davon überzeugen Paypal zu nutzen. Das könnte eine einfache und relativ kostengünstige Variante sein, die Paypal-Nutzerbasis in Ländern zu erhöhen, wo Paypal noch nicht so stark ist.

Die größten ‚Empfängermärkte‘ von Xoom-Transaktionen sind Indien, die Philippinen und Lateinamerika. 60% der Xoom-Sender senden vom Handy weg. Kein Besuch einer Western Union Filiale notwendig (und angeblich ist das auch billiger, wobei ich das nicht geprüft habe).


Die Voest hat für das Geschäftsjahr 2014/15 einen Gewinn von über EUR 3 gemeldet, für das erste Quartal des neuen Jahres gar einen Gewinn von EUR 1,60 (wobei da ein größerer, positiver Einmaleffekt dabei war).

Die Voest ist in meinen Augen aufgrund der Spezialisierung in technologisch anspruchsvollen Nischenmärkten, nach wie vor einer der wenigen Stahlerzeuger, in die es sich rentiert zu investieren. Die Börse hat das inzwischen auch realisiert, weswegen der Kurs relativ hoch ist. Sprich, ungefähr bei meiner Schätzung des fairen Werts von ca. EUR 40.  

Deswegen habe ich auch bei etwa EUR 40 einen guten Teil der Aktien mit 60% Gewinn verkauft. Im Zuge der Chinapanik ist der Kurs inzwischen wieder auf unter EUR 35 gefallen. Je nachdem, wie weit der Kurs noch fällt, könnte ich mir vorstellen, wieder etwas aufzustocken.


Ich werde auch nicht investiert bleiben (die Analyse habe ich ja gerade erst vor ein paar Tagen veröffentlicht).

Ich habe mir das nochmal durchüberlegt. Die Wahrscheinlichkeit, dass das mit der Digitalisierung funktioniert, ist recht ungewiss. Außerdem scheint das Management nicht wirklich gut zu sein, wenn man sich die letzten Jahre so ansieht, und die Cashflows sind miserabel. Klöckner verstößt einfach gegen zu viele Punkte auf jeder Investment-Checklist, die mir so einfällt.

Ich sollte mir endlich mal eine gute Checkliste zusammenstellen, damit ich nicht mehr so viel Zeit mit Investmentideen verschwende, die von vornherein zum Scheitern verurteilt sind.

Praktisch jede der Aktien, die ich oben aufgezählt habe, ist auf lange Sicht vielversprechender als Klöckner.



PS: Ich habe gerade festgestellt, dass ich 6 (!) Word-Seiten geschrieben habe. Wer noch dabei ist:

Danke fürs Lesen!

Tom

10. August 2015

Klöckner und die Digitalisierung des Stahlhandels

Eine Aktie auf die ich bei meiner Suche nach Investmentmöglichkeiten immer wieder stoße, ist jene von Klöckner & Co. Der Grund dafür ist der, dass die Aktie seit langem unter ihrem (auch um Goodwill bereinigten) Buchwert notiert und ich glaube, dass das (neue) Geschäftsmodell prinzipiell Potenzial hat. Wenn auch vielleicht erst in etwas fernerer Zukunft.


Klöckner selbst beschreibt das Geschäft wie folgt:
Klöckner & Co ist der größte produzentenunabhängige lagerhaltende Stahl- und Metalldistributor und eines der führenden  Stahl-Service-Center-Unternehmen im Gesamtmarkt Europa und Amerika. Wir fungieren als Bindeglied zwischen Stahlerzeugung und Verbrauch. Durch unsere Unabhängigkeit von Stahlherstellern profitieren unsere Kunden von einem zentral koordinierten Einkauf und unseren vielfältigen nationalen und internationalen Beschaffungsmöglichkeiten bei weltweit rund  60 Hauptlieferanten. Unsere entscheidenden Wettbewerbsfaktoren sind Größeneffekte im globalen Einkauf, unsere umfangreiche Produktpalette, der Kundenzugang über ein weit verzweigtes Logistik- und Distributionsnetzwerk sowie verschiedenste Anarbeitungsservices und die hohe Verfügbarkeit unserer Produkte. Unser globales Netzwerk erstreckt sich über 15 Länder und ermöglicht unseren Kunden den lokalen Zugang zu rund 220 Lager- und Anarbeitungsstandorten. Durch die hohe Verfügbarkeit unserer Produkte ermöglichen wir unseren Kunden, auf eigene Lagerhaltung weitgehend zu verzichten. Unser Kundenportfolio umfasst rund 150.000 zumeist kleinere bis mittlere Stahl- und Metallverbraucher, vorwiegend aus der Bauindustrie sowie dem Maschinen- und Anlagenbau. Darüber hinaus liefern wir Vorprodukte für die Automobilindustrie, den Schiffsbau und die Gebrauchsgüterindustrie. Wir bieten unseren Kunden eine optimierte Gesamtlösung von der Beschaffung über die Logistik bis zur Anarbeitung einschließlich individueller Belieferung mit 24-Stunden-Service und setzen dabei auf eine zunehmende Digitalisierung dieser Prozesse.
2014 setzte Klöckner in etwa EUR 6,5 Mrd. um, die Verteilung des Umsatzes ist aus folgender Grafik ablesbar:


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Nachdem die Konjunktur einfach nicht so richtig ins Laufen kommen will, tut sich die Stahlindustrie mit ihren chronischen Überkapazitäten insgesamt sehr schwer damit, wieder in die Gänge zu kommen. Profitabel arbeiten eigentlich nur spezialisierte Nischenplayer, wie z.B. die hier bereits vorgestellte Voestalpine.  Klöckner gehört definitiv nicht zu diesen Nischenplayern.

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Operating Profit enthält keine One-off-Kosten wie Sonderabschreibungen, Restrukturierungen etc.; der Gewinn pro Aktie sehr wohl.

Der Verlauf des Aktienkurses bildet diesen Geschäftsgang recht deutlich ab. Der letzte Kurs steht bei ca. EUR 8,50.

Ein mögliches Basisszenario ist einfach: erholt sich die Wirtschaft/Konjunktur (vor allem in Europa und Amerika), erhöhen sich auch die Gewinne und der Aktienkurs von Klöckner. Somit sollte früher oder später zumindest der (um Goodwill bereinigte) Buchwert je Aktie von ca. EUR 12 erreicht werden (immerhin ca. 40% Potenzial).

Ich gebe zu, diese Investmentidee ist nicht besonders einladend:
  • Es ist kaum absehbar, wie lange es braucht, bis sich die Wirtschaft erholt.
  • Es ist auch kaum absehbar, wie weit der Buchwert je Aktie noch sinken kann (Verluste – Q2 war furchtbar: der Buchwert wäre gesunken, wenn es keine Währungsgewinne im ‚other comprehensive income‘ gegeben hätte).
  • Klöckner scheint kein Unternehmen zu sein, in das man beruhigt investieren kann. Über den Konjunkturzyklus betrachtet sind die Ergebnisse nicht befriedigend, wenn auch in guten Zeiten dafür umso besser.

Ich persönlich möchte in so ein Unternehmen nicht investieren, weil mir das einfach zu unsicher ist. Allerdings könnte sich auf längere Sicht eine Chance auftun, wenn Klöckner die angekündigte Strategie 2020 konsequent umsetzt. 

Digitalisierung

Ich bin mir nicht sicher ob es nicht schlicht und einfach nur die Verzweiflung ob der stetig enttäuschenden Geschäftszahlen war, die das Management mit folgender Idee aufwarten ließ: Einrichten einer Online-Plattform und Digitalisierung des Geschäftsmodells. Da wir in 2015 leben und das Internet eigentlich schon überall ist, kommt euch jetzt wahrscheinlich in etwa so etwas in den Sinn (bei mir war es so):

Oh, es ist doch viel zu spät, jetzt noch eine digitale Plattform einführen zu wollen. Die Konkurrenz wird heftig reagieren, und es wird nicht möglich sein, auf eine entsprechende Reichweite zu kommen…

Seltsamerweise liegt aber genau darin die Chance, wenn das Management die Situation auch nur halbwegs richtig einschätzt: die Stahlindustrie, bzw. der Stahlhandel, funktioniert zu einem großen Teil noch immer analog: Telefon, Fax und (die Modernen) Email. Klöckner könnte sogar eine Art First-Mover-Vorteil haben. Die Einführung einer digitalen Plattform ist sehr vielversprechend, weil diese die gesamte Lieferkette stark vereinfachen könnte. Ein Nebeneffekt ist, dass eine Plattform auch noch von einem Netzwerkeffekt profitieren könnte, wie es auch das Geschäftsmodell von Klöckner selbst tut, zumindest bis zu einem gewissen Grad.

[Ein kurzer Einwurf: Wholesaling]
(zu deutsch vielleicht Großhandel, aber ich bin mir nicht sicher ob es das wirklich trifft)

Stahl-/Metalldistribution scheint zwar eine Ausnahme zu sein, aber prinzipiell kann Wholesaling ein sehr gutes Geschäftsmodell sein, das hohe ROIC zulässt, wenn es denn auch gut umgesetzt wird. Der große Nutzen eines Wholesale-Modelles ist, dass es eine Win-Win-Win Situation erzeugt, für

die Lieferanten:
  • Zugang zu einer großen Anzahl an Kunden
  • Dadurch höhere Absatzmengen, wenn auch zu niedrigeren Preisen (Verhandlungsmacht; die Lieferanten bei Laune zu halten ist mindestens gleich wichtig, wie die Kunden bei Laune zu halten)
  • Lieferanten können Distributions- und andere Tätigkeiten auslagern

die Konsumenten:
  • Bekommen Zugang zu einer großen Anzahl an Produkten von vielen verschiedenen Herstellern über einen zentralen Anbieter
  • Bekommen niedrige Preise, da sie von der Verhandlungsmacht des Wholesalers profitieren
  • Zusätzliche Services; bei Klöckner beispielsweise die Anarbeitung von Materialen, für die z.B. 3D-Laser benötigt werden (solche Maschinen sind für viele Kleinkunden zu teuer in der Anschaffung) aber auch eine Fülle an anderen Dienstleistungen.

den Wholesaler:
  • Hohe Anzahl an Lieferanten und Kunden
  • Einbehaltung eines kleinen Prozentsatzes des Wertschöpfungsprozesses (dünne Margen) als Gewinn, der hoffentlich hoch genug ist um die Fixkosten abzudecken - das war bei Klöckner in letzter Zeit eben oft nicht der Fall.
  • Das Geschäftsmodell bindet relativ wenig Kapital im Verhältnis zum Umsatz. Im günstigsten Fall auch im Verhältnis zum Gewinn.

Wenn wir uns diese Eigenschaften des Geschäftsmodelles vor Augen halten wird klar, dass dieses einige Elemente eines zweiseitigen Marktes aufweist, obwohl keine direkten Beziehungen zwischen Lieferanten und Kunden bestehen. Speziell ergeben sich 
  • positive cross-side Effekte
  • keine/kaum positiven same-side Effekte  
  • negative same-side Effekte, vor allem auf der Lieferantenseite

(Was cross- und same-side Effekte sind wird in der englischen Version des oben verlinkten Wikipedia-Eintrages zum zweiseitigen Markt erklärt. Entschuldigt bitte die vielen Anglizismen, aber ich habe einfach keine Ahnung wie sich diese Begriffe ins Deutsche übersetzen; die Wikipedia-Einträge in deutscher Sprache sind kaum zu gebrauchen oder erst gar nicht vorhanden, weswegen ich den einen oder anderen Link zur englischen Ausgabe von Wikipedia setzen musste.)

Trotz dieser Beschränkungen ist in meinen Augen ein zweiseitiger Markt eine hervorragende Voraussetzung für eine (digitale) Plattform.

[Einwurf Ende]

Das Ziel des Managements ist es also das Geschäftsmodell zu verändern, und zwar von diesem 

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Es gibt natürlich keine Garantie, dass das funktionieren wird.

Das Hauptproblem jeder Plattform ist es, genügend Lieferanten und Kunden zu akquirieren. Hier könnte Klöckner die Tatsache helfen, dass es der weltweit größte unabhängige Stahlhändler ist, mit ca. 150.000 Kunden und 60 Hauptlieferanten. Wenn diese die Plattform nutzen, ist schon viel gewonnen. Die Tatsache, dass Klöckner Lieferanten-unabhängig ist, sollte insofern helfen, als die Anzahl an verschiedenen Produkten um einiges höher sein sollte, als bei einem Lieferanten-abhängigen Konkurrenzprodukt. Ein möglicher First-Mover-Vorteil verbunden mit einem möglichen Netzwerkeffekt könnte Klöckner einen großen Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrenten verschaffen. Ihr merkt schon, wie viele könnte und sollte ich hier verwende. Es wird viel davon abhängen, wie gut Klöckner diese Plattform implementiert und ob diese für die Teilnehmer auch wirklich eine Vereinfachung im Verhältnis zur momentanen Art und Weise des (Stahl-) Handelns darstellen wird.

Da ich gerade die Konkurrenz angesprochen habe, gehe ich auch gleich einige Konkurrenten durch. In Europa sind die größten
  • Arcelor Mittal
  • ThyssenKrupp
  • Salzgitter
  • Tata (beim Klöckner-Projekt mit dabei).

Diese sind eindeutig nicht Lieferanten-unabhängig und waren in den letzten Jahren wohl eher mit Kostensenkungsprogrammen beschäftigt, als damit neue Geschäftsideen zu generieren. Das erklärt vielleicht auch warum keiner einen Schritt in Richtung Digitalisierung gemacht hat. In den USA haben wir
  • Reliance
  • Ryerson
  • ThyssenKrupp (wieder).

Reliance und Ryerson sind unabhängig und betreiben auch ein ähnliches Geschäftsmodell wie Klöckner. Reliance ist offenbar der einzige von den drei unabhängigen, der halbwegs gut durch das aktuell schwierige Geschäftsklima steuert. Allerdings konnte ich noch nicht herausfinden, an was das genau liegt, wo die einen möglichen Wettbewerbsvorteil haben – die Digitalisierung scheint es nicht zu sein. Ryerson hingegen geht es ähnlich schlecht wie Klöckner, allerdings ist deren Bilanz in einem deutlich schlechteren Zustand als jene von Klöckner, wenn wir auf die Finanzverschuldung schauen. Dafür hat Ryerson inzwischen auch eine eCommerce-Plattform gestartet (2014), ähnlich wie Klöckner. 

Die Märkte, in denen Klöckner tätig ist, sind extrem fragmentiert. Die größten Player (Arcelor, Thyssen, bzw. Reliance und Ryerson) kommen kaum auf über 10% Marktanteil, bzw. sind deutlich darunter. Klöckner hält 2014 Marktanteile von ca. 7% (Europa) und ca. 3% (USA), womit man in beiden Märkten zu den Top 3 gehört. Die große Chance einer effizienten und für die Teilnehmer vorteilhaften und unabhängigen Plattform besteht darin, in diesen Märkten eine Konsolidierung einzuleiten durch die man selbst deutlich Marktanteile hinzugewinnen kann. Auch wenn diese Märkte selbst in Zukunft wohl nicht allzu stark wachsen werden. Ein zusätzlicher Vorteil könnte darin bestehen, dass man über so eine Plattform auch verstärkt Nebenprodukte anbieten könnte, die prinzipiell höhere Margen erlauben (zumindest ist das eine Idee des Managements).

Die Konkurrenz in den USA scheint auf jeden Fall stärker als in Europa. Die Chancen, dass sich Klöckners Plattform durchsetzt, sind somit in Europa um einiges höher, auch weil man Tata bereits als wichtigen Partner gewonnen hat. Das muss allerdings nicht zwangsläufig heißen, dass man in den USA versagt.

Klöckner möchte bis 2019 um die 50% des Umsatzes online generieren.

Zusammenfassung

Um ehrlich zu sein, ich habe das Gefühl, dass diese Digitalisierung die einzige vernünftige Chance für Klöckners Zukunft ist. Wenn sie hier versagen, würden sie wahrscheinlich ohnedies keine große Zukunft haben.

Das Basisszenario ist einfach: die Aktien von Klöckner notieren derzeit deutlich unter ihrem (um Goodwill bereinigten) Buchwert je Aktie. Sollte sich das Geschäft irgendwann halbwegs stabilisieren/erholen, sollte dieser Buchwert erreicht werden, was ein Potenzial von 40% bedeutet. Das Risiko besteht darin, dass der Buchwert sehr schnell fallen kann, wenn sich das Geschäft nicht stabilisiert. 

Andererseits erhält man aufgrund des niedrigen Kurses die Möglichkeit, dass die Digitalisierungsstrategie aufgeht, mehr oder weniger umsonst. Man kann also
  1. Bereits jetzt kaufen, und hoffen, dass sich das Geschäft bald stabilisiert
  2. Warten, bis es erste Anzeichen gibt, dass die Digitalisierung aufgeht. In diesem Fall sollte sich Klöckner zu einem viel besseren Unternehmen wandeln als es das heute ist - in Bezug auf Nutzen für Lieferanten und Kunden, aber auch Gewinne und ROIC.

Momentan bevorzuge ich noch Option 2, ich werde meine Augen allerdings offen halten.

Anmerkung
  • Swoctem GmbH/Friedhelm Loh hat in den letzten Monaten eine größere Position aufgebaut (siehe hier). Das könnte insofern interessant sein, als die Gruppe selbst im Bereich Stahldistribution tätig ist – Übernahmefantasie?
  • Auf der anderen Seite hat das noch keinen Kurssprung ausgelöst. Im Gegenteil, die Aktie fällt schon seit ca. einem Jahr relativ kontinuierlich.

Ich weiß nicht genau, was ich mit diesen Infos anfangen soll, möchte aber darauf hinweisen.

Quellen